08.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Aus Briefen an die Redaktion


Fußballspiel mit
Totenschädeln

Zum Leserbrief von Manfred Pollmeier über neonazitische Sprüche von Löhner Gymnasiasten meldet sich der Ostscheider Friedel Schütte.

»Die Zuschrift Pfarrer Pollmeiers zu verbotenen neonazistischen Sprüchen einiger Löhner Schüler, ferner verwerflichem, makabrem Spiel mit Totenköpfen bei Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, bringt bei mir ein Ereignis aus den letzten Kriegswochen im März/Anfang April 1945 in Erinnerung, als ich elf Jahre alt war und auf dem Kirchplatz in Mennighüffen Entsetzliches sah.
Damals, amerikanische Truppen hatten bereits den Rhein überquert, wollte ein versprengter Haufen fanatisierter deutscher Soldaten, Mennighüffen als letzteVerteidigungslinie vor der Weser ausbauen.
Zu diesem Zweck mussten Gefangene und Gutsarbeiter bei der Mühle in Haus Beck Panzersperren bauen. Auf verschiedenen Bauernhöfen, so auch auf der Deele der Familie Worminghausen im Büschen (heute Fennel) lagerten leichtbewaffnete Kampfgruppen.
Der Mennighüffer Kirchturm war als Beobachtungsposten für die in Häver und auf der Horst stehenden schweren deutschen Luftabwehrgeschütze der Stärke 8,8 Zentimeter vorgesehen, die nun für den Bodeneinsatz vorbereitet wurden. Über unser eigenes Grundstück hier im Büschen verlief eine etwa 40-phasige, verdrahtete Telefonleitung der damit vernetzten Batteriestände.
Zentrum des Widerstandes sollte die Kirche in Mennighüffen sein. Zu diesem Zweck gab der kommandierende Hauptmann den überlebenden Soldaten seiner am Rhein großenteils aufgeriebenen Kompanie Befehl, rings um die Kirche herum Schützengräben auszuheben. Von hier aus sollten die anrückenden amerikanischen Sherman-Panzer mit Panzerfäusten »erledigt werden«.
So entstanden, wie ich damals an mehreren Tagen beobachtete, und woran sich Gleichaltrige auch noch lebhaft erinnern müssten, auf diesem in früher Geschichte unserer Gemeinde mit Gräbern dicht überzogenen Platz sogenannte, zwei Meter tiefe und teils durch Sandsäcke und Eichenbohlen armierte Zickzack-Gräben.
Was mich als Kind so entsetzte, waren weniger die auf den Erdhügeln massenweise liegenden, freigelegten menschlichen Knochen und Schädel. Durch die Bombenangriffe auf Löhne hatten wir Schüler der damaligen »Deutschen Hauptschule« (nach 1945 Realschule Löhne-Bhf.) leider noch Schlimmeres zu Gesicht bekommen.
Die an der Front völlig verrohten und verwilderten Uniformierten spielten in den Arbeitspausen mit herausgeworfenen, Mennighüffener Totenköpfen Fußball!
Ich erinnere mich, dass ein Nachbar (ich glaube, es war der Schuhmachermeister Karl Rasche) die Soldaten ansprach und fragte, ob sie denn gar keinen Respekt mehr vor Verstorbenen hätten.
Die Antwort eines der Soldaten ist mir zeitlebens nicht aus dem Sinn gegangen: »Ist doch alles egal. Wenn der Feind hier einmarschiert, seid Ihr genauso erledigt wie diese Toten!«, und bolzte weiter.
Dass Mennighüffen damals im April 1945 letztendlich doch nicht umkämpft wurde und (nebst Kirche im Dorf) gottlob n i c h t untergegangen ist, verdankt die Gemeinde einigen wenigen, äußerst mutigen Männern, die dafür ihr Leben riskierten.
Schade, dass dieses Kapitel Mennighüffer Heimatgeschichte, trotz der Gelegenheit der zurückliegenden 950-Jahrfeier, bisher von Zeitzeugen noch nicht dokumentiert worden ist.
Und zwar zur Mahnung und Erinnerung an wahrhaft schreckliche Zeiten im Dorf, die nur in einen Schlusssatz münden können, den damals Millionen Überlebende, Landser, Ausgebombte, Evakuierte und Ostvertriebene, für alle Zukunft geprägt haben: »Nie wieder Krieg!«

FRIEDEL SCHÜTTE32584 LÖHNE-MENNIGHÜFFEN

Artikel vom 08.11.2006