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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (197. Folge:)Küttelfegers Anton und H. Lehmann


Vor 100 Jahren gab es in Paderborn ein Vorbild für alle professionellen Saubermänner in Diensten der Stadt: »Küttelfegers Anton« wurde er von Jung und Alt gerufen und ärgerte sich darüber nicht einmal. Seelenruhig fegte er den Dreck von Straßen und Bürgersteigen zusammen und lud alles in eine Handkarre. Er wohnte in der Leostraße. Hin und wieder machte er eine Pause zum Gespräch mit Anwohnern, die ihm auch schon manchmal einen »Klaren« anboten.
Westlich der eigentlichen Innenstadt, also in der Bahnhof-, Friedrich-, und Neuhäuser Straße traf er oft einen anderen Reinemacher in Diensten der PESAG - den Ritzenschieber. Der hatte dafür zu sorgen, dass die Rillen der Straßenbahnschienen im Stadtgebiet nicht durch Dreck verstopft wurden. Und dann sangen beide gemeinsam: Anton »Küttel hin, Küttel her«. Darauf der Mann von der »Elektrischen« für deren Schienen: »Wenn`s doch endlich Feierabend wär!«
Josef Hissmann hat hat 1977 in seinem Anekdotenbuch eine Wette des »Küttelfegers« mit honorigen Bürgern überliefert. »Pferdeäpfel« bedeuteten den größten Dreck auf den Straßen. In der Gastwirtschaft Brauns am Neuhäuser Tor wettete Anton, er könne vom Neuhäuser bis zum Westerntor einen »Pferdeapfel« fegen, ohne ihn zu beschädigen. Fegebesen-Anton wählte sorgfältig eine Kugel aus, hütete sie vor Spatzen, Wagenrädern und Pferdehufen. In einer eiskalten Dezember-Nacht war der Pferde-Auswurf hart genug gefroren, dass er den »Hünkel« unbeschädigt über die ganze Friedrichstraße zum Westerntor rollen konnte.
Die Bürger wollten nicht zahlen. Die unterlegenen Wettgesellen nahmen die harte Kugel und warfen sie dem Straßenfeger in den weitgeöffneten Mund. »Das Ding bleibt so lange da drin, bis die Polizei kommt«, soll »Küttelfegers Anton« wütend über diese Schmach mühsam hervorgestoßen haben.
Heute gibt es in Paderborn nur noch zwei Handfeger mit Karre in der Innenstadt. Sie sorgen im Schichtdienst dafür, dass die Fußgängerzonen sauber bleiben und picken mit großer Unrat-Greifzange Papier, Tüten, Schachteln und Essensreste auf. Neun große Kehrmaschinen und dazu noch einige kleine Schmutzsauger haben inzwischen das große Heer der Straßenfeger ersetzt.
Unsere Stadt wird immer wieder von Bürgern und Besuchern als »sehr sauberes Paderborn« bezeichnet. Der Chef des Abfallentsorgungs- und Stadtreinigungsbetriebes (ASP) mit Werkhof an der Talle, Reinhard Nolte, lobte seine 22 Saubermänner und zehn zusätzliche Hartz-IV-Mitarbeiter. Schon frühmorgens ab vier Uhr sind sie oft in der Innenstadt unterwegs, so dass sich die frühen Kirchgänger sonntags wundern: Wo blieb der Dreck von den Abenden von Libori, Zapfenstreich, Frühlingsfest, Herbstlibori, Hochstifttagen, Fußballweltmeisterschaft, Weihnachtsmarkt, Kneipentour und Powertagen?
Mittwochs und samstags wird nach 14 Uhr jeweils der Markt- und Domplatz beinahe generalstabsmäßig gesäubert. Das geht Hand in Hand mit den Wochenmarkt-Beschickern, die Teile ihres Grünabfalls und zerbrochenen Kisten mit nach Hause nehmen. »Küttelfegers Anton« würde an diesem Einsatz mit vielen Maschinen seine Freude haben.
Nach dieser Figur aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts gibt es aber auch einen Handkehrer jüngeren Datums. Vor 40 Jahren war Harry »Adolf« Lehmann stadtbekannter Saubermann. Er wohnte in der Personstraße, kam abends oft zum Dämmerschoppen ins »Riemekeeck« im Schatten der Herz-Jesu-Kirche, wo er Neues vom Stadtquatsch vertellte. Äpfel (auch »Pferdeäpfel«) fallen nicht weit vom Stamm: Beide Söhne traten in Lehmanns Fußstapfen. Aber nicht mehr mit dem Besen in der Hand, sondern hoch auf dem Sitz der Kehrmaschinen.
Als Paderborn 1977 1200-jähriges Stadtjubiläum feierte, schmückte Lehmann die Titelseite der Festbeilage des »Westfälischen Volksblattes«. Auf dem Rathaus-Kump mit dem Besen in der Hand. Dafür wollte er am 7.7.77 der britischen Königin Elizabeth II. vorgestellt werden. Das ging schon wegen seines Konterfeis nicht. Die Queen wäre »not amused« (wenig erfreut) gewesen. Denn Harry »Adolf« Lehmann war mit seinem »Hitler-Schnäuzer« dem »Führer« zum Verwechseln ähnlich!Georg Vockel

Artikel vom 08.11.2006