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Als Sprinterin in den Eiskanal

Bad Driburgerin Inga Versen steht vor dem Sprung in den Bobsport

Von Michael Risse
Bad Driburg (WB). Rutschiges Eis statt Tartanbahn. Ein Wechsel bahnt sich für die Bad Driburger Leichtathletin Inga Versen an. Die 19-Jährige war in der vergangenen Woche als Anschieberin beim Vorbereitungslehrgang der deutschen Bob-Nationalmannschaft. »Ihre Größe und Hebelverhältnisse stimmen. Inga läuft gut hinter dem Bob«, sagt Cathleen Martini, amtierende Junioren-Weltmeisterin und zukünftige Teamkollegin.

»Bobsport habe ich bisher wenig gesehen. Höchstens mal Stefan Raab mit seiner WOK-WM«, sagt die 19-jährige Inga Versen, die seit ihrer Kindheit Leichtathletin ist. Als Sprinterin (Bestzeit über 100 Meter 12,38 Sekunden, über 200 Meter 25,11 Sekunden) wechselte sie vor einem Jahr zum LC Paderborn. Trainer Thomas Prange - selbst Anschieber im Bobsport - erkannte, dass die Driburgerin von Statur und Laufstil für den Eiskanal geeignet sein könnte.
In Winterberg fand eine Sichtung statt, bei der Olympiasiegerin Sandra Kiriasis eine »Beifahrerin« suchte. Diesen »Job« bekam Inga Versen nicht, schaffte aber den Sprung ins Bobteam Martini. Die 24-jährige Cathleen Martini ist seit dem Jahr 2000 Bobpilotin. Die Zwickauerin wurde Europameisterin 2004 und 2005 sowie Junioren-Weltmeisterin 2006. Hinter Sandra Kiriasis und Susi Erdmann ist Martini die Nummer drei in Deutschland. »Betrachtet man die Leistungen in den Selektionen, ist das Team manchmal sogar an Position zwei«, erklärt Manager Carsten Balzer. Neben der 22-jährigen Janine Tischer, die seit zwei Jahren gemeinsam mit Martini startet, ist Inga Versen als zweite Anschieberin vorgesehen.
Nach den Anschubübungen auf dem »Trockenen« gab es für die junge Westfälin nun den »Ernstfall« auf der Kunsteisbahn am Königssee. »Als ich vorher die Eisrinne entlang ging, sah ich, dass die Kurven viel höher sind, als es im Fernsehen wirkt.«
Bis zu vier Mal am Tag, insgesamt 18 Mal, sauste die Newcomerin mit Cathleen Martini die Bahn hinab. »An den ersten drei Tagen hatte ich Muskelkater im Nacken, da der Kopf von der Fliehkraft in den Kurven nach unten gedrückt wird«, berichtet Inga Versen, die auch spürte, was es heißt, einen Bob von 180 Kilogramm zu zweit oder dritt zu tragen.
Nach der knappen Minute im Eiskanal ist noch nicht Feierabend. »Man hat zehn verschiedene Schleifpapiere und mit jedem geht man 50 Mal an einer Kufe entlang«, sagt Versen die bei 1, 75 Meter Körperlänge 68 Kilogramm wiegt. »Der Bobtrainer sagt ich müsste zunehmen«, erklärt die angehende Abiturientin.
Während sich ihre Teamkolleginnen als Polizistinnen bei der Bundespolizei acht Monate im Jahr ihrem Sport widmen können, steht für Inga Versen bis zum Sommer die Schule im Vordergrund. Schon in zwei Wochen stehen wichtige Klausuren an. Daher kann sie nicht zur Selektion des Bobverbandes reisen (13. bis 19. November am Königssee).
Nimmt Inga Versen den Einstieg in den Bobsport parallel zur Schule ernsthaft in Angriff, müsste sie jedes zweite Wochenende zum Anschubtraining ins sächsische Altenberg fahren. Zwischen Weihnachten und Neujahr steht ein Team-Trainingslager an. »Ich möchte, dass Inga in diesem Winter wenigstens ein Rennen mit mir bestreitet. Vielleicht sogar bei der Junioren-WM«, meint Martini.
Langfristig dürfte Martini die deutsche Nummer eins werden. Inga Versen könnte dabei sein, aber noch überlegt sie, ob sie von der Leichtathletik zum Bobsport umsatteln soll. »Wir machen ihr keinen Druck, aber wir haben ihr gesagt, dass sie es als Leichtathletin deutlich schwerer hätte, zu sportlichen Erfolgen zu kommen«, sagt Cathleen Martini.

Artikel vom 03.11.2006