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Fulminanter
Schlusspunkt

Orgeltage: Weimarer Barocktrompeten

Rheda-Wiedenbrück (WB). Am Sonntagabend konnte sich Harald Gokus entspannt zurück lehnen und genießen. Nach einer organisatorisch anstrengenden Woche tat es der St.-Clemens-Kirchenmusiker 550 restlos begeisterten Zuhörern gleich und erlebte wie sie ein entfesselnd und brillant aufspielendes Weimarer Barocktrompeten-Ensemble.

In den zwei Jahrzehnten der Orgeltage ist es gute Tradition, den Beginn und Beschluss sowohl konzertant, als auch liturgisch zu begehen. So gastierte am Samstagabend der Christophorus-Jugendkammerchor Versmold unter Hans-Ulrich Henning in der Clemenskirche, um in bewährt makelloser Gesangskultur Chorwerke aus der Renaissance bis in unsere Zeit zu interpretieren, während Christoph Grohmann an »seiner« Orgel hinreißend musizierte.
Was Yume Shimizu, Clemens Losch, Axel Stock, Andreas Graf (Trompeten) sowie Rudolf Stein (Pauken) und Thorsten Pech (Orgel) am Sonntagabend folgen ließen, hat die Clemenskirche bislang kaum erlebt. In überschwänglicher, die Zuhörer mitreißender Spielfreude musizierten die sechs in majestätisch-brillanter Klangopulenz. Schon Händels D-Dur-Suite mit Sätzen aus der »Wassermusik« und anderen Konzerten (neben zwei Trompeten wurden auch zwei Corni da caccia eingesetzt) strotzte vor Temperament, ohne indes gehetzt zu wirken.
Von der Faktur her dialogisch angelegt dagegen Giuseppe Aldrovandinis 3. Sonate in C. Nach einem Paukensoloauftakt setzen zunächst in Mixturklängen die Orgel, dann auch das Blech ein, während im ruhigeren Largo tremulierende Aliquoten für besonderen Reiz sorgten.
Wohl kaum eine kirchliche Trauung kommt mehr ohne Bachs »Jesus bleibet meine Freude« aus. Klar, dass dieses Stück auch am Sonntag bei den Zuhörern seine Wirkung nicht verfehlte; ebenso wie Ron Simpsons zeitgenössische Sonatina.
Organist Thorsten Pech steuerte als Hommage an den legendären Dirigenten Sergiu Celibidache mit der Fantasie »B-r-u-c-k-n-e-r« für Trompeten, Corni da caccia, Pauken und Orgel eine Eigenkomposition bei, die jeweils mit kurzen Orgelsolointermezzi überleitete zu Themen aus den Brucknersinfonien 3, 4 und 7. Hubert Pfeiffers Orgelphantasie op. 18 zu bringen, war indes eine zweischneidige Sache: Zum Vorstellen unterschiedlicher Registerfarben durchaus geeignet, ist sie zu langatmig angelegt und strapazierte die Geduld des Auditoriums zuweilen arg.
Ganz anders Clérambaults farbig registrierte Suite im 2. Ton sowie Max Drischners E-Dur-Passacaglia, dessen Thema anfangs aus zartester Streicherschwebung herausgeschält wurde und sich schrittweise zum majestätischen Tutti der Orgel hinarbeitete. Nach einem 90-minütigen musikalischen Feuerwerk hielt es die zu recht entzückten Besucher nicht länger auf ihren Sitzen. Stehend und enthusiastisch applaudierten sie einem Ausnahme-Ensemble, das fulminante Orgel- und Bläserklänge zelebriert hatte und sich mit zwei Zugaben verabschiedete. Bravo!

Artikel vom 31.10.2006