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Musikalischer
Marathon
durch China

Von Konzertreise heimgekehrt

Von Elke Hänel 
Verl (WB). Eine Konzertreise nach China - was nach Urlaub und Abenteuer klingt, bedeutete für die 77 jungen Musiker des Landesjugendorchesters in Wahrheit anstrengende Tage, kurze Nächte und ein strammes Auftrittsprogramm. »Trotzdem hat die Reise viel Spaß gemacht und war eine wertvolle Erfahrung«, sagt Markus Egbringhoff, der im LJO Horn spielt.

Am 4. Oktober, nach einer zweitägigen gemeinsamen Intensivprobe in Köln, hatten sich der junge Verler und seine Orchesterkollegen aus ganz Nordrhein-Westfalen in den fernen Osten aufgemacht. In Shanghai galt es für die Europäer zunächst, sich an das Klima zu gewöhnen: »Die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch«, berichtet Markus Egbringhoff. Doch Zeit zum Ausruhen gab's nicht: Gleich am ersten Tag stand eine Besichtigungsfahrt auf dem Programm und schon für den nächsten Abend war das erste von insgesamt sieben öffentlichen Konzerten angesetzt. Das LJO trat in Jiaxing, Wuxi, Changzhou, Nanjing, Chengdu, Wuhan und Hangzhou jeweils vor 700 bis 800 Chinesen auf - und machte dabei recht unterschiedliche Erfahrungen in Sachen Publikumsverhalten. »Manchmal waren die Zuhörer sehr laut, es klingelten Handys und es wurde im Konzert gegessen«, erzählt Markus Egbringhoff. »Und teilweise klatschten sie nur ein-, zweimal in die Hände, dann war Schluss.« Das habe aber nicht geheißen, dass es den Leuten nicht gefallen habe. Im Gegenteil: Damit signalisierten die Chinesen, dass sie mehr hören wollen, weiß der junge Verler. Die Programme der Konzerte variierten die Musiker aus Kompositionen von Mozart, Beethoven, Schumann und Blacher. Zudem hatten sie zwei chinesische Stücke einstudiert, die bei keinem Auftritt fehlen durften und bei den Zuhörern besonders gut ankamen.
Die Zeit, die neben Stellproben, Konzerten, dem Auftritt bei einem Empfang in Chengdu und dem Zurücklegen der Strecken zwischen den einzelnen Stationen der Reise blieb, wurde für Besichtigungen genutzt. Dabei bekamen die jungen Musiker auch einen kleinen Einblick in das chinesische Alltagsleben. »Ich fand die Zeit in China sehr interessant, aber leben wollte ich dort nicht«, zieht Markus Egbringhoff Bilanz. Der wirtschaftliche Aufschwung sei zwar enorm, doch blieben der einzelne Mensch und auch die Kultur dahinter zurück. »So werden zum Beispiel zahlreiche Klöster geschlossen. Und aus den Städten verschwindet alles Alte, die Menschen werden einfach umgesiedelt«, hat der 17-Jährige beobachtet. Dass eine Gesellschaft, in der der Mensch so weit hinten an stehe, auf Dauer funktionieren könne, glaube er nicht.
Eine positive Erfahrung sei das Essen gewesen. Die runden Tische mit der drehbaren Glasplatte, auf der nacheinander viele verschiedene Speisen platziert werden und von der sich jeder bedient, förderten die Kommunikation und das Essen sei viel geselliger, als wenn jeder einen Teller mit seiner Portion vor sich habe, meint Markus Egbringhoff. Auch vom Speisenangebot war er angetan. »Nur bei Frosch, da hörte es für mich auf.«
Nach rund zwei Wochen schließlich kamen die Orchestermitglieder wieder in Frankfurt am Main an. Zum Ausruhen indes blieb noch immer keine Zeit, denn noch am selben Abend sowie an den folgenden beiden Abenden standen Konzerte in Köln, Beverungen und Essen auf dem Plan. Tagsüber spielten die jungen Musiker zudem noch eine CD ein. »Auf solchen Reisen und in solchen Arbeitsphasen lernt man, jede freie Minute zum Schlafen zu nutzen und mit wenig Schlaf auszukommen. Man sammelt viel Erfahrung und Routine. Außerdem haben uns die drei Wochen, in denen wir am Limit waren und trotzdem ständig Höchstleistungen vollbringen mussten, sehr zusammen geschweißt«, lautet Markus Egbringhoffs positives Resümee.
Als nächstes steht für den Verler im Januar der Regionalwettbewerb »Jugend musiziert« an. Dort wird der Hornist erstmals im Trio mit Geige und Klavier antreten. Im LJO will der 17-Jährige noch bis Sommer 2007 bleiben. »Im nächsten Jahr studieren wir eine komplette Oper ein, Mozarts Zauberflöte«, freut er sich schon. Danach allerdings soll für ihn Schluss sein. »Dann will ich mich erstmal aufs Abi konzentrieren.«

Artikel vom 28.10.2006