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Waldai streckt die Fühler aus

Anfrage wegen Städtefreundschaft

Von Matthias Kleemann
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Die Städtepartnerschaft der Nachbarstadt Bielefeld mit Nowgorod in Russland beschert Schloß Holte-Stukenbrock möglicherweise ebenfalls eine Städtepartnerschaft mit einer russischen Stadt. Bürgermeister Hubert Erichlandwehr bestätigte dem WESTFALEN-BLATT jetzt, dass ihm bereits seit längerer Zeit eine Anfrage des Bürgermeisters von Waldai zur Gründung einer Städtepartnerschaft vorliegt.

Waldai liegt im Nowgoroder Gebiet, und Bürger dieses Ortes sind offenbar im Rahmen des Austauschs zwischen Bielefeld und Nowgorod in Bielefeld gewesen. Da der Besuch des Ehrenfriedhofs in Stukenbrock-Senne ein fester Programmpunkt der Besuche aus Russland ist, gewann man so auch einen Eindruck von Schloß Holte-Stukenbrock, der so positiv gewesen sein muss, dass die russische Stadt sich nun um direkte Kontakte nach Schloß Holte-Stukenbrock bemüht.
Im Auftrag von Alexander Drjanizin, dem Bürgermeister von Waldai, reiste Anfang des Jahres ein gewisser Alexander Kotschewnik mit einer Nowgoroder Delegation nach Bielefeld, um bei Hubert Erichlandwehr vorzusprechen und vorzufühlen, ob man grundsätzlich solchen Überlegungen gegenüber offen ist. Als dies bejaht wurde, wandte sich Drjanizin mit einem Brief direkt an Erichlandwehr.
Der informierte die Fraktionen im März dieses Jahres. Als Fachleute waren Dietrich Becker, ehemaliger Vorsitzender des Kuratoriums Städtepartnerschaft Bielefeld - Welikij Nowgorod, sowie die stellvertretende Vorsitzende, Marlies Ostendorf, bei diesem Gespräch anwesend. Sie rieten den Volksvertretern zu und berichteten von eigenen, positiven Erfahrungen. Danach war eigentlich geplant, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Kulturausschuss-Sitzung zu setzen und möglicherweise schon in diesem Jahr mit einer kleinen Delegation nach Waldai zu fahren.
Der Entscheidungsprozess scheint jedoch ins Stocken gekommen zu sein. Hubert Erichlandwehr erklärte auf Nachfrage, dass er mit dem Thema eigentlich lieber erst an die Öffentlichkeit treten wolle, wenn man auf nicht-öffentlicher Ebene zu einem einheitlichen Meinungsbild gelangt sei. Bei einer zu frühen öffentlichen Diskussion sehe er die Gefahr, dass das Thema »kaputt geredet« werde. So gibt es wohl offenbar Ressentiments, dass die Städtepartnerschaft im Zusammenhang mit den Gedenkstätten in Stukenbrock-Senne zu sehr »rückwärts gewandt« sein könnte.
Diese Bedenken kann Dietrich Becker nicht teilen. Becker räumt ein, dass das Gedenken an die Kriegsopfer bei den russischen Partnern auch in Nowgorod einen sehr hohen Stellenwert hat. So sei es fester Bestandteil jedes Besuches - hier wie dort - an einer Gedenkstätte Blumen niederzulegen und eine kurze Rede zu halten. Die Bielefelder seien aber schon seit einiger Zeit davon abgerückt, den Blumenstrauß an der ewigen Flamme, die es in jeder russischen Stadt gibt, zu deponieren. Stattdessen werde der Strauß an einem Denkmal des 1000-jährigen Russlands in Nowgorod niedergelegt. »Es ist eine Geste, die die Herzen öffnet«, meint Becker. Von Rückwärtsgewandheit sei die Städtepartnerschaft deswegen aber nicht geprägt.
Die Städtepartnerschaft zwischen Bielefeld und Nowgorod wurde im Jahr 1987 nach etwa vier Jahren Vorlauf besiegelt. Dietrich Becker betont, dass dank dieser Freundschaft sich mittlerweile viele Kontakte entwickelt haben, private und wirtschaftliche. Zwischen den Universitäten, Schulen, Firmen und Institutionen habe sich ein reger Austausch entwickelt. Es habe sogar ein Arzt aus Bielefeld im Krankenhaus von Nowgorod operiert.
Was Nowgorod betrifft, so sei auch die Verständigung kein Problem. »In der Sowjetunion war Deutsch häufig die erste Fremdsprache an Schulen, sodass viele ältere Menschen Deutsch können.« Jetzt werde mehr Englisch gelehrt, auch Französisch. »Ich kann mich an ein Gespräch erinnern, bei dem wir in vier Sprachen geredet und uns wunderbar unterhalten haben.« Nach der ausreichenden Menge Wodka sei auch Verständigung mit Händen und Füßen kein Problem.
Nach Auskunft von Becker hat es erneut einen Brief an den Bürgermeister von Schloß Holte-Stukenbrock gegeben, der beim jüngsten Besuch einer Nowgoroder Delegation mitgebracht und von ihm weiter geleitet worden sei. Erichlandwehr bestätigt den Eingang dieses Briefes. Er sei allerdings noch nicht übersetzt. Erichlandwehr wollte nicht ausschließen, dass das Thema jetzt auf der Tagesordnung der nächsten Kulturausschusssitzung zu finden sein wird, die voraussichtlich im November stattfinden wird.

Artikel vom 27.10.2006