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Die Galerien
glänzen um
die Wette

Miele inszeniert Produktpalette


Von Stephan Rechlin
(Text und Fotos)
Gütersloh/Prag (WB). In der goldenen Stadt besetzt Miele den Diamanten. Mit der neuen Galerie im »Diamond Point« an der Ke Stvanici 3 in Prag ist dem Gütersloher Hausgerätehersteller ein kleiner Coup geglückt. Die 525 Quadratmeter große Ausstellungsfläche liegt direkt an einem Verkehrsknotenpunkt in der Hauptstadt der tschechischen Republik. Tomás Abraham, Leiter der Miele-Vertriebsgesellschaft in Tschechien, hatte sich bereits um einen Mietvertrag in dem Gebäude bemüht, als die Sole noch feucht war. Nun kommen alle, die im Auto, Bus oder in der Straßenbahn die Moldau überqueren wollen, am roten Miele-Emblem vorbei.
In der Galerie stehen Staubsauger in einem aquarienähnlichen Regal. Ein von einem Prager Künstler entworfener Holzriese saugt mit einem roten S4 den dunklen Kunststoffboden. Waschmaschinen sind Teil einer Video-Inszenierung. Kochplatten werden in Bilderrahmen an Wänden präsentiert - Induktionsschleifen als Kunst. Berühren ist erlaubt, kaufen verboten. Das Geschäft überlässt Miele auch in Tschechien den Fachhändlern - allein 50 sind es in Prag. In der Galerie sollen die Haushaltsgeräte eine Erlebniswelt schaffen. »Kundenerlebnis als Wettbewerbsvorteil,« erläuterte der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Markus Miele während eines Pressegespräches das Konzept der neuen Galerie. Ein Konzept, das Miele in 37 weiteren Ländern der Welt verfolgt. Galerien, Erfahrungs-Zentren oder Foren unterhält Miele unter anderem in Warschau, Dubai, Kapstadt, in Moskau, Vancouver, Melbourne, Singapur, Paris, Mailand, Tokio und Johannesburg. Neueröffnungen wurden in diesem Jahr in Dallas und Budapest gefeiert. Aus dem Wettlauf um den attraktivsten Präsentationsraum kann sich Gütersloh nicht heraushalten.
So sei der Umbau des Gütersloher Miele-Forums samt Neugestaltung des Haupteinganges vor allem eine Reaktion auf die Inszenierungs-Offensive im Ausland: »Wenn Händler und Kunden aus Italien, Frankreich oder Tschechien unser Werk besichtigen, muss die Zentrale ebenso glänzen wie die Galerie in den Heimatländern,« stellte Miele fest.
Die Galerie in Prag wurde für fünf Jahre gemietet mit der Möglichkeit, den Vertrag um weitere fünf Jahre zu verlängern. Bis dahin dürfte erkennbar sein, ob der tschechische Markt seine heutigen Versprechungen einhalten wird. Im abgelaufenen Geschäftsjahr trug Tschechien mit elf Millionen Euro zum 1,8 Milliarden Euro hohen Auslands-Umsatz von Miele bei. Im Verhältnis sind dies gerade mal 0,6 Prozent - doch dahinter steckt ein Inlands-Wachstum von 30 Prozent. Auf drei bis fünf Prozent der zehn Millionen Einwohner Tschechiens schätzt Dr. Markus Miele das für sein Unternehmen interessante Kundenaufkommen. Diese Kundschaft dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit in Prag wohnen.
Zum einen, weil hier ohnehin zehn Prozent der Bevölkerung leben. Zum anderen, weil hier kräftig gebaut wird. Wie in den Appartements und Penthäusern in Hong Kong, Schanghai, an der australischen Gold Coast oder im kanadischen Georgia Bay haben sich Einbaugeräte auch in Prag zu Statussymbolen entwickelt.
Der Unterschied zwischen den neuen Hochhäusern an der ufernahen Podkalská wird an der Küchenausstattung liegen. »Mit Herden, Geschirrspülern und Öfen von Miele ist eine Wohnung besser zu verkaufen. Wenn ein Bauherr dafür Geld ausgibt, dann hat er auch bei der unsichtbaren Bausubstanz auf Qualität geachtet,« erklärt Tomás Abraham die innere Funktionsweise des Prager Immobilienmarktes. Ob die Miele-Galerie über die mögliche Mietdauer von zehn Jahren hinaus in Prag bestehen bleiben wird, dürfte von der Kaufkraft-Entwicklung abhängen. Mit einem Werk in Unicon bei Brünn trägt Miele zur Kaufkraftstärkung in Tschechien bei. 350 Mitarbeiter produzieren dort den Toplader, der vor allem nach Frankreich, Benelux und frühere Ostblock-Staaten exportiert wird. Mit den Investitionen aus Gütersloh und den Verkauf ins Ausland ist Unicon bisher weit gekommen: »Weiteres Wachstum wird davon abhängen, ob es neue, mittelständische Unternehmen in der Region verstehen, den vorhandenen Schwung für sich zu nutzen,« sagte Miele.

Artikel vom 28.10.2006