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Krösche trotz
Pokal-Aus
ein Gewinner

Mit Grippe von 0 auf 100

Von Peter Klute
Paderborn (WV). »Fußball ist ein Tagesgeschäft. Da geht es oft ganz schnell«, sagte Markus Krösche nach dem DFB-Pokal-Aus gegen den 1. FC Nürnberg (1:2 n.V.) und dachte keine sechs Wochen zurück. In Liga zwei gegen Kickers Offenbach saß er aus taktischen Gründen nicht einmal auf der Bank. »Tiefer kannst du als Fußballer nicht sinken«, blickte der damalige Tribünenbesucher nach hinten. »Und jetzt«, so Krösche, »bin ich in so einem wichtigen Spiel von Anfang an dabei«.

Paderborns Trainer Roland Seitz hatte in Anbetracht des strammen Programms der nächsten Wochen und der Tatsache, »dass die Spieler von Position zwölf bis 16 im Training Gas geben und eine Chance verdient haben«, eine Rotation angekündigt - und ließ Taten folgen. Nicht nur, dass Jérôme Colinet den im Pokal gesperrten Andrew Sinkala vertrat, zudem wurden Erwin Koen und David Fall geschont und durch Markus Krösche sowie Mehmet Dragusha ergänzt.
Für Krösche, der in der laufenden Saison bislang noch keine Minute auf dem Feld gestanden hatte, war dieser Turbostart von 0 auf 100 kein Problem: »Wenn du hinten dran bist, musst du in jedem Training 30 Prozent mehr machen als die anderen. Sonst kannst du auf dem Niveau nicht bestehen, wenn du spielst. Ich habe mich nie hängen lassen, daher hatte ich keine Bedenken.«
Sein Trainer ebenfalls nicht. Und das mit Recht. Krösche war mehr als ein Ersatz und durfte sich trotz der Niederlage als Gewinner fühlen. Im Gegensatz zu Dragusha (Seitz: »Das war ein Tick zu wenig«) nutzte der 26-Jährige seine Chance eindrucksvoll. Zweikampfstark, ballsicher, lauffreudig: Neben dem neuen Spielgestalter Benjamin Schüßler und Abräumer Marc Gouiffe à Goufan war er bester Paderborner Feldspieler. »Super Leistung, Kröschi«, lobte ihn der verletzte Kapitän René Müller. Auch Seitz stellte fest: »Markus hat sehr gut gespielt.«
Komplimente trotz Handicap. Denn was kaum einer wusste: Der Ex-Bremer ging geschwächt in die Partie. Sonntagabend hatte ihn eine Grippe erwischt, am Montag musste er mit dem Training aussetzen. »Ich habe kein Fieber, daher hat unser Doktor das Okay gegeben.« Als der Trainer am Mittwochmittag in der Mannschaftsbesprechung die Aufstellung mit dem Namen Krösche bekannt gab, war die Freude beim Nominierten größer als der Schmerz. »Ich habe mich mit Medikamenten vollgepumpt, wollte unbedingt spielen.« Dass in einer nicht 100-prozentigen Verfassung und ohne Spielpraxis der Schuss gegen eine klasse Mannschaft wie Nürnberg nach hinten los gehen könnte, war für ihn kein Thema: »Wenn man dem Trainer beweisen will, dass man in die Mannschaft gehört, gibt es keine bessere Gelegenheit als ein Spiel gegen einen Erstligisten.«
Gesagt, getan. 77 Minuten hielt Krösche durch, dann ging aber nichts mehr. »Ich bekam Kopfschmerzen, meine Stirnhöhlen saßen zu. Es war besser rauszugehen«, klärte er seine Auswechslung, die nicht etwa verletzungsbedingt war, auf. Die Fans begleiteten seinen langen Weg von der Gegengeraden zur Ersatzbank mit Sprechchören. Es kam (natürlich) David Fall, der sonst vor ihm steht. »Ich betreibe jetzt keine Personaldiskussion«, beugte Seitz nach dem Schlusspfiff entsprechenden Fragen vor und sagte: »Markus ist sicher ein Härtefall, aber David hat seinen Job in dieser und der vergangenen Saison gut gemacht.« Auch Krösche schmälert die Leistung seines Konkurrenten, mit dem er sich auf Augenhöhe sieht, nicht. Etwas genervt erklärte er: »Ich kann die Diskussion David oder ich nicht mehr hören. Egal, wer spielt, das tut der Mannschaft keinen Abbruch. Wir gehören beide in die Mannschaft und sollten es mal mit Fall und Krösche probieren.«
Letztgenannter könnte sich auch eine Rolle im rechten defensiven Mittelfeld vorstellen, dort sieht Seitz an der Seite von Gouiffe à Goufan aktuell Andrew Sinkala vorne, schränkt aber grundsätzlich ein: »Ich bin erst sieben Wochen hier. Mal sehen, was die nächste Zeit bringt.« Darauf ist auch Krösche gespannt. Es ist seine sechste Saison beim SCP, der Vertrag läuft im nächsten Jahr aus. »Es hat keinen Zweck, in die Zukunft zu schauen, ob drei Monate, ein halbes Jahr oder bis zum Sommer«, lässt er sich alle Optionen offen. Wie gesagt: Fußball ist ein Tagesgeschäft.

Artikel vom 27.10.2006