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Wie eine Provinz zur »Festung« wird

Fußball: Herford feiert im Jahr 1976 im Vereinslokal »Sonnenhof« die blau-weiße Aufstiegsnacht

Von Harald Schwabe
Herford (HK). Ein sonniger Mittwochabend im Jahr 1976. Im Vereinslokal »Sonnenhof« an der Elverdisser Straße in Herford knallen Sektkorken unter die Decke, im harten Fußball-Alltag schon mächtig geschüttelte und ausgewachsene Männer strahlen wie kleine Kinder und liegen sich in den Armen.
Volle Ränge waren schon zu Landesligazeiten in der Saison 1972/73 angesagt. Im Bild von links: »Manni« Wehmeier, Gerhard »Tommy« Weidenhammer und Wolfgang Flüshöh beim Kopfball. Foto: H. Schwabe
Genau um 22.40 Uhr dank eines 3:2-Erfolges von Borussia Dortmund gegen den 1. FC Nürnberg ist der Aufstieg der Fußballer vom Sport-Club Herford in die 2. Liga Nord perfekt. Als der Herforder Tross mit den Vorstandsmitgliedern, Trainer Dieter Garbers, zahlreichen Spielern und Anhängern sowie Chronist »HaSch« im Mercedes von Sponsor Jürgen Kox aus dem damaligen Stadion »Rote Erde« aus Dortmund an der Elverdissen Straße eintraf, wurden sie mit einem Riesentransparent mit dem Schriftzug: »Hurra! Ab heute neue Adresse: SC Herford - 2. Liga Nord« begrüßt. Bis in die Morgenstunden feierten die Herforder eine denkwürdige blau-weiße Nacht.
Lang, lang ist es her. Wie aus der Provinz die Fußball-Festung Herford wurde, ist vielen Herforder Fans nicht mehr bekannt. Anlässlich des 160. Geburtstages des KREISBLATTes möchten wir unsere Leser noch einmal an die größte und schönste Fußball-Zeit in Herford erinnern.
Der Ruf nach Bildung eines starken Fußballklubs in den Mauern der Werrestadt wurde Anfang der 70er Jahre immer lauter. Die Fans forderten zu Recht, Herford sollte nicht länger »Fußballprovinz« sein. In der Tat: Die Ereignisse unserer näheren Umgebung waren alarmierend, auch beispielgebend. Sämtliche Nachbarvereine hatten wenigstens eine ihrer Fußball-Spitzenmannschaften in der höchsten Amateurklasse. Demgegenüber befand sich der Fußballsport in Herford auf einer steten Talfahrt, die offensichtlich weder vom HSC 07/08 noch von SuS zu bremsen und dessen Ende nicht vorausschaubar war. Es galt, ein weiteres Ausbluten des Herforder Fußballs zu verhindern. So kam die Fusion zwischen HSC und SuS ins Gespräch.
Die Vor-stände beider Vereine glaubten, dass durch die Konzentration der wirtschaftlichen Kräfte beider Vereine, ergänzt durch das zugesagte Engagement der Herforder Wirtschaft, eine breite und gesunde Basis, die Voraussetzungen eines leistungsfähigen Großvereins mit allen seinen Sportabteilungen geschaffen wird.
Aufatmen dann im Lager beider Vereine, als SuS als Sieger in einer notwendigen Entscheidungsrunde mit TuRa Löhne und VfL Schildesche hervorgeht. Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn der neue Herforder Großverein sportlich in der Bezirksklasse hätte beginnen müssen.
Der Fusion konnte somit nichts mehr im Wege stehen. Nach der Saison 1971/72 waren die Vorbereitungen durch die beiden Vorsitzenden Jürgen Wörmann (HSC) und Günter Ehrler (SuS) so weit vorbereitet, dass am 16. Juni 1972 im großen Gemeinschaftssaal der Firma Adolf Ahlers von den Mitgliedern beider Vereine nur noch die Fusion sanktioniert zu werden brauchte: Der Sport-Club Herford war geboren! Wie sich später herausstellen sollte , war dieser Zusammenschluss ein wahrer Glücksfall für drei Jahrzehnte des gesamten Herforder Sportlebens.
Mit Einsatz und Übersicht kniete sich der Hauptinitiator, Günter Ehrler, in die anstehenden Aufgaben. Unter der bewährten Trainingsleitung von Martin Scheiding wuchsen die Spieler beider Vereine schnell zusammen. Zur weiteren Verstärkung kamen Akteure wie Wolfgang Flüshöh (TuRa Löhne), Ray Scott (Minden 05), Karl-Friedrich Stremming (VfL Mennighüffen), Rolf Muchow (VfL Schlangen), Dieter Hempelmann (SV Eilshausen) und Joachim Dzieciol (1. FC Paderborn). Abteilungsleiter und Daueroptimist Günter Ehrler steckte die neuen Ziele mit den Worten ab: »Im ersten Jahr müssen wir die Meisterschaft in der Landesliga schaffen Im zweiten Jahr soll der Klassenerhalt in der Verbandsliga angestrebt werden, und dann, in ein, zwei oder drei Jahren müssen wir den Sprung in den bezahlten Fußball schaffen. Mit gezielter, konzentrierter Arbeit ist dieses Ziel keine Utopie.«
Trotz eines schwachen Saisonstartes wuchs die Begeisterung in der Werrestadt. Zu den entscheidenden Landesligaspielen kamen gegen SV Löhne-Obernbeck, SC Verl, SV Porta Neesen und Stift Quernheim etwa 20 000 zahlende Zuschauer in das Jahnstadion. Im letzten und entscheidenden Spiel gegen Stift Quernheim hatte der englische Torjäger Ray Scott in der 40. Minute das Tor des Tages erzielt. Aber erst um 16.44 Uhr brauste tausendfacher Jubelschrei im Jahnstadion auf, das einem Hexenkessel der Freude glich.
Überschwänglich stürmten die Fans mit blau-weiß-schwarzen Fahnen auf den Rasen und herzten die Spieler, die den Titel holten und den Aufstieg in die Verbandsliga perfekt machten: Rolf Bockermann, Reinhard Schröder (beide Torhüter); die Abwehrspieler Günter Bethlehem, Günter Biermann, Rainer Gehrke, Friedhelm Heitbrink, Karl-Friedrich Stremming, Klaus Wehmeier, Gerhard Weidenhammer, Bernd Wellhöner, Wolfgang Windmann (Kapitän); die Mittelfeldspieler Werner Aufderheide, Wolfgang Flüshöh, Rolf Muchow, Rolf Siekmann sowie die Stürmer Joachim Dzieciol, Horst Gamon, Dieter Hempelmann, Raymond Scott und Manfred Wehmeier. Das damalige EMR dachte sich ein besonders lukratives Geschenk aus: Es schenkte dem SCH zum Verbandsliga-Aufstieg einen gebrauchten Linienbus, damit dem Verein hohe Kosten bei den Fahrten in das Westfalenland erspart blieben.
Nach dem Aufstieg in die Verbandsliga liefen beim neuen Trainer Dietrich Garbers alle Fäden zusammen. Der Mindener Lehrer löste Martin Scheiding ab, dessen Arbeit dem Verein erhalten blieb und der der Jugendabteilung zu einer führenden Stellung im Kreis verhalf.
Dieter, wie Garbers nur genannt wurde, galt als ein ausgleichender Typ, guter Kamerad, kein Schreihals oder Wichtigtuer.Forsetzung Seite 10

Artikel vom 28.10.2006