24.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von den Indonesiern die Gelassenheit lernen

Sei 60 Jahren Missionsarbeit: Pater Gerd Blick besucht Bali, Borneo, Java und Jakarta

Marienmünster (WB). Pater Gerd Blick (Abtei Marienmünster) reist für vier Wochen in das ferne Indonesien. WESTFALEN-BLATT-Redakteur Ingo Schmitz sprach mit dem Seelsorger über die Beweggründe seiner Reise.

Was ist der Grund für Ihren Aufenthalt in Indonesien?
Pater Gerd Blick: Vor 60 Jahren sind Mitbrüder unserer Ordensprovinz nach Indonesien aufgebrochen, um vor allem auf der Insel Borneo als Missionare zu arbeiten. Ihre Arbeit bestand nicht nur aus der Verkündigung der christlichen Botschaft, sondern parallel dazu gab es viele Projekte, um die soziale Situation der Menschen zu verbessern. Die Projekte wurden von unserer norddeutsch-holländischen Ordensprovinz und durch Spenden für die Mission aus Deutschland unterstützt.
Nach 60 Jahren können wir in Indonesien den Erfolg unserer Missionare darin sehen, dass dort eine selbstständige Ordensprovinz - bestehend aus Einheimischen - aufgeblüht ist und jedes Jahr junge Indonesier in den Orden eintreten. Das 60-jährige Bestehen wird nun gefeiert und als Vertreter der Mutterprovinz kann ich nach Indonesien fliegen, um an einigen Veranstaltungen teil zu nehmen.

Welche Stationen sind in den vier Wochen vorgesehen?
Pater Gerd Blick: Erstes Ziel unserer Reise -Êmit mir kommt Wolfgang Kaiser, Êein Mitglied unserer Vördener Pfarrgemeinde -Êist Bali. Dort werden wir uns einige Tage von der über 24-stündigen Reise erholen. Dann geht es per Auto nach Java, um dort das Passionistenkloster in Batu zu besuchen. Hier sind die jungen Menschen, die beabsichtigen, dem Orden beizutreten und eine Art Probezeit absolvieren. Von Batu aus geht es ins Kloster Malang, dann weiter per Flugzeug nach Borneo.
Eine weitere Station ist auf Java die Stadt Yokiakarte, in der vor einiger Zeit das furchtbare Erdbeben war. Hier haben die Passionisten ein besonderes Projekt: ein Studentenhaus eigens gebaut für Nichttheologen. Die Studenten erhalten Unterkunft und Studium von den Passionisten finanziert - ein echtes Projekt Hilfe zur Selbsthilfe. Hier studieren die jungen Menschen unter anderem Journalistik, Architektur, Betriebswissenschaft, Philosophie und Philologie, Medizin. Nach der Besichtigung von Jakarta geht es nach Deutschland.

Sie waren bereits im Jahre 1999 in Indonesien. Welche Erinnerungen haben Sie an das Land, seine Menschen und die Kultur?Pater Gerd Blick: Es sind zum Teil sehr unterschiedliche Erinnerungen. Es ist ein Inselstaat - bestehend aus tausend großen und kleinen Inseln und eben unterschiedlicher Bevölkerung. Hier und da in den Zentren der Städte sieht es fast wie in Europa aus. Und dann auf einmal am Rande der Städte die Slums -Êkaum Grünzonen, Bäume, Wälder. Auf Borneo herrscht der Gegensatz: Urwald. Manche Städte oder Dörfer sind nur per Boot zu erreichen. Armut im Sinne von Hungern gibt es hier kaum. Früchte über Früchte, die einem geradezu in den Mund wachsen und Reisfelder können die Menschen ernähren. Die Hütten gleichen »Buden«. Abgesehen von den Großstädten ähnelt alles fast einem Ferienland. Die meisten Indonesier sind Muslime. Ich weiß nicht, wie oft ich damals den Muezim rufen oder singen gehört habe.
Auf Borneo gibt es eine harmonische Koexistenz zwischen Muslimen und Christen. Fasziniert haben mich die indonesischen Gesänge und Tänze. Und fasziniert haben mich die Menschen, die überaus herzlich und freundlich sind.

Was sind die größten Herausforderungen?
Pater Gerd Blick: Es gibt in Indonesien die Amtssprache Indonesisch. Sie enthält wenig Grammatik. Es ist also keine Schwierigkeit, wenn man ein Lexikon »Deutsch - Indonesisch« und umgekehrt bei sich hat, sich zu verständigen. Die größte Herausforderung, wenn Sie mich so fragen, war bei meinem ersten Besuch die Einfachheit der Häuser, das Sitzen bei schummrigen Licht auf dem Boden, den Teller voller Reis und Gemüse und durch die Bodenritzen vermutlich auf den Teller gekrabbelt - Ameisen und anderes Getier.

Was können die Gläubigen Ihrer Heimatgemeinden von den Indonesiern lernen?
Pater Gerd Blick: Gelassenheit und Ruhe -Êvor allem auch im Gottesdienst, wenn er unpünktlich, vielleicht mal zehn Minuten zu spät, beginnt. Gelassenheit auch, wenn der Gottesdienst mal eine halbe Stunde länger dauert als üblich. Und noch einmal Gelassenheit im Autoverkehr, im Beruf und in Geschäften. Freundlichkeit und Gastfreundschaft und im Bezug auf den Glauben, dass er nicht nur eine »Sache« des Kopfes ist, sondern des ganzen Menschen. Indonesier feiern nicht nur dann und wann den Gottesdienst, sondern immer wieder. Und: Sie feiern ihn oft fröhlicher.

Artikel vom 24.10.2006