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Wo Jimi und »The Who«
ihre Gitarren zerlegten

Wie der Beat nach Herford kam: Geschichte der »Scala«

Herford (CP). Er brachte den Beat nach Herford: der »Jaguar-Club« in der »Scala« an der Mindener Straße. Hier gaben sich in den wilden 60-ern die Stars die Klinke in die Hand. Selten war Herford so »hip« wie in diesen Jahren.

Neben dem »Starclub« in Hamburg, der auch in Bielefeld und anderen Städten Ableger gründete, gab es in Herford zunächst den Schützenhof für Beat-Konzerte, dann den »Jaguar-Club« im ehemaligen Filmtheater »Scala« an der Mindener Straße, wo es für Jugendliche möglich wurde, für wenig Eintrittsgeld internationale Bands und deutsche Bands wie die »Rattles« oder »Lords« zu hören.
In der Region gab es neben dem »Jaguar-Club« noch das »Ambassador« in Schötmar, die Eisenhütte in Bielefeld, Hotel Pörtner in Enger, den Schützenhof in Bünde, das Volkshaus und das Hotel Stadt Frankfurt in Detmold sowie zahlreiche Kneipen, die zu Tanzveranstaltungen einluden.
Die »Jaguars«, nach denen der Club benannt wurde, waren wohl die erste Band in Herford. Sie gründeten sich 1963 und hatten Erfolge unter anderem in Bremen als Vorgruppe der »Kinks«, im »Starclub« Hamburg, dem Bielefelder »Starclub« und in der Eisenhütte. Vor der Namensänderung hießen die »Jaguars« »The Bandits«. Als Sänger der »Jaguars« wurde zunächst Phil McNamara verpflichtet, den Carola Frauli, die Managerin des Clubs für 2000 Mark von der Britischen Armee »freikaufen« musste.
Es folgten die »Loadstones« und die »Rags«, später die »Cranks«, in Enger »Percy and the Jailbirds«. Man übte in privaten Kellern und zunächst noch Instrumental-Stücke der »Shadows«, dann Songs der »Beatles«, »Rolling Stones«, »Animals«, von »The Who« und der »Kinks«.
Diese Musik stand für Aufbruchstimmung. Auch in Herford, an der Mindener Straße, dem ehemaligen Filmtheater »Scala«, das von Carola Frauli nach der Kündigung im Schützenhof, wo bisher die Beat- und Tanzveranstaltungen statt gefunden hatten, angemietet wurde. Die »Scala« bot im Anschluss an den Schützenhof zahlreichen Bands Auftrittsmöglichkeiten.
Hatten im Schützenhof schon neben den »Jaguars« auch andere Bands gespielt, so war die »Scala« ab 1966 einer der wichtigsten Auftrittsorte für die Creme der internationalen Beatbands. Schon der WDR berichtete 1965 aus dem Schützenhof über ein Konzert mit den »Liverbirds«, den »Rattles« und den »Jaguars«. Am 29. Januar 1966 wurde dann in der »Scala« das Eröffnungskonzert mit »Lee Curtis and the Allstars«, den »German Bonds« und den »Loadstones« veranstaltet.
Schon in den 1930-er Jahren gab es in dem Gebäude an der Mindener Straße 38 ein Tanzlokal, »Litkes Neue Welt«. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dort Operetten aufgeführt, bis das Gebäude zum Lichtspieltheater umgebaut wurde. Von November 1965 bis Januar 1966 wurde die »Scala« wieder in einen Tanzpalast verwandelt.
Danach schrieb der »Jaguar-Club« Beat-Geschichte. Neben Jimi Hendrix traten dort unter anderem auf: »The Who«, »The Cream« mit Eric Clapton, die Spencer Davis Group mit Steve Winwood und Manfred Mann mit Band. Darüber hinaus spielten unter anderem Toni Sheridan, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich, »The Searchers«, John O`Hara & The Playboys, »The Small Faces«, »The Hollies«, Drafi Deutscher, Graham Bonney, Casey Jones, Ted Herold, Linda Laine & The Sinners, Bill Hailey, The Easybeats. Zusätzlich gab es regelmäßig Band- und Sängerwettbewerbe, manchmal sogar Schallplattenaufnahmen.
Am 30. Oktober 1970 musste der »Jaguar-Club« die Tore schließen. Schon vorher hatte Carola Frauli im ehemaligen Café Bruns in der Kurfürstenstraße am 12. August 1967 die Diskothek »Tamburin« eröffnet. Einer der Diskjockeys war Gunter Gabriel. Am 6. November 1972 wurden auch hier, nach Querelen mit Anliegern, die Tore geschlossen.

Artikel vom 28.10.2006