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Herford von oben

Weitsichtig: Eindrücke von einer Ballonfahrt

Herford (tm). Aus 1600 Metern Höhe sieht die Welt anders aus. Ein Hauch von Passivität umhüllt das Geschehen am Boden, rundherum erstreckt sich unendliche Weite. Diese Eindrücke gewannen sechs Passagiere, die kürzlich zu einer Ballonfahrt abhoben. Pilot Karl-Ludwig »Carlo« Coors startete von der Herforder Kiewiese aus.

Zunächst ist Ballonfahren mit einiger Arbeit verbunden. Beim Aufbauen müssen alle Passagiere mit anpacken: Die Ballonhülle, die anfangs zusammen mit dem Korb in einen kompakten Anhänger passt, wird mit heißer Luft gefüllt und aufgerichtet. Am Ende ist der Ballon 28 Meter hoch. Dann muss alles schnell gehen: Alle eingestiegen und die Halteleine gekappt, steigt der Heißluftballon bei fauchendem Gasbrenner steil gen Himmel. Beim Blick nach unten werden Kiewiese und das H2O schnell kleiner, das Panorama der Werrestadt hingegen wächst bis an den Sichthorizont. Bald wird klar, warum Carlo Coors gleich zu Beginn klarstellte: »Ein Ballon fliegt nicht, er fährt - mit dem Wind«. Denn mit leichtem Südwind schweben die Ballonfahrer über Stiftberg, Bismarckturm und Sender hinweg gen Norden aufs Wiehengebirge zu.
Die Fahrtrichtung kann Pilot Coors also nicht bestimmen, wohl aber Höhe und damit Fahrtdauer und -strecke. Mit der Brennerflamme geht's aufwärts, runter normalerweise von allein oder, schneller, mit Entlüftungsklappen. Nach 70 Minuten und 23 Kilometern entschließt sich Coors zur Landung, als Landeplatz wird eine Wiese nahe Hartum bei Minden ausgewählt. Jetzt ist exaktes Manövrieren gefragt, um den Aufprall so weich wie möglich zu gestalten.
Wer zum ersten Mal mit einem Ballon fährt, wird automatisch Mitglied einer »Adelsgemeinschaft«. Doch bevor der noch von der lautlosen Fahrt übers Ravensberger Hügelland träumende Passagier den begehrten Titel verliehen bekommt, muss er eine Taufprozedur über sich ergehen lassen: Erde, Feuer und Sekt auf dem Haupt verlangt die alte, überlieferte Sitte. Mit der Urkunde wird schließlich die Auflage ausgehändigt, den poetisch angehauchten Adelstitel auswendig zu lernen - und niemals mehr zu behaupten, dass ein Heißluftballon fliegen könne.

Artikel vom 28.10.2006