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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Joachim Schmidt


Die Welt, die wir erleben wird immer größer. Dafür sorgen Fernsehen, Presse und Rundfunk. Wir wissen vom Putsch in Thailand, von den Überschwemmungen in Bangladesch und von den Überfällen der Reitermilizen in sudanesischen Dafür. Wir fahren Autos aus Korea, sehen fern mit japanischen Geräten und essen Champignons aus Taiwan. Wir machen Urlaub in der Dominikanischen Republik und auf Bali. Aber die Welt, in der wir wirklich leben, die wird immer kleiner. Immer mehr Menschen leben in ihrem kleinen privaten Kreis, meist in der Familie. Vereine, Kirchen, Gewerkschaften und Parteien klagen über den Mitgliederschwund. Die Wahlbeteiligung sinkt von einem Urnengang zum anderen. Immer weniger von uns glauben noch, irgendetwas mit ihrer Stimmabgabe bewirken zu können.
Und es scheint mittlerweile wirklich »typisch deutsch« zu sein: Uns geht's zwar deutlich besser als anderen Menschen; aber wir sind mit allem ziemlich unzufrieden.
Auf der einen Seite wird unser Horizont zwar geweitet, und auf der anderen igeln wir uns ein hinter einer hohen Mauer, die dunkle Schatten wirft. Pessimismus macht sich breit. Und das ist ja auch nicht so ganz unbegründet; denn bei den Reformen, an denen da in den Parlamenten herumlaboriert wird, werden oft ja nur die Probleme hin und her und die Lösungen auf die lange Bank geschoben.
Uns entgeht aber dabei allerdings völlig, dass wir, wenn wir uns zurückziehen und uns aus allem heraushalten, die Entscheidungen anderen überlassen, oft gerade denen, deren Richtung uns am wenigsten passt. Das gilt auch für die Kirchen: Wer sie verlässt oder einfach nur nicht mehr hingeht, der überlässt sie denen, die gar nichts verändert haben wollen. So kann man auch ungewollt zur Zementierung von Verhältnissen beitragen, die keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken und Grund zum Pessimismus geben!
Ich denke, wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wo auch immer wir uns zurückziehen, wir unsere Mitstreiter und Freunde im Stich lassen und denen freie Hand zum Handeln geben, die gerade das tun, was uns ärgert und resignieren lässt.
Eigentlich sollten wir als Christen uns ja anders verhalten: Jesus hat uns doch in die Welt geschickt, mit seiner Botschaft von der Nächstenliebe! Nun, den Nächsten lieben, das hat nicht unbedingt etwas zu tun mit Gefühlen der Sympathie für den anderen. Vor allem darf sich Nächstenliebe nie darin erschöpfen. Den Nächsten lieben, das bedeutet doch, etwas dafür tun, dass es ihm gut geht - so gut, wie wir es uns für uns selber wünschen - und dass er sich wohl fühlt - so wohl, wie wir uns selber fühlen möchten! Das heißt doch, dass wir als Christen uns einmischen müssen in die Abläufe der Welt, dass wir versuchen müssen, das zu verhindern oder wenigstens zu bremsen, was wir als schädlich erkannt haben, und dass wir auf der anderen Seite alles dafür tun müssen, dass das Gute, das, was dem Menschen hilft, auch tatsächlich geschieht.
Eigentlich sollten Christen niemals pessimistisch sein können. Schließlich haben wir unsern Auftrag von höchster Stelle und mit höchster Autorität empfangen, und das mit der Versicherung von dort, dass uns Mut, Kraft und Ausdauer zufließen werden.
Und da erhebt sich dann die Frage, wer kann denn diesen Auftrag wirklich verweigern, wenn er in seinem ganz privaten Leben der Kraft seines Glaubens vertraut und diesen Jesus im wahrsten Sinne des Wortes »anbetet«?
Und wenn uns Mut und Kraft und der lange Atem aus dem Geist dieses Jesus verheißen sind: Warum geschieht so wenig? Warum merkt unsere Umgebung - warum merkt die Welt - so wenig von der Existenz der Christen?
Warum reden und handeln wir eigentlich immer wieder so, dass keiner merkt, dass wir anders sind als die meisten, dass wir etwas haben, dass so vielen fehlt? Den Geist, Phantasie, Mut und Kraft und Ausdauer gibt, den Geist, der Verantwortung erkennen lässt und Feigheit besiegt, den Geist, der mit Jesus Christus in diese Welt gekommen ist und der Christen beseelt?
Es geht ja nicht um irgendwelche großen Dinge, die wir tun sollen. Der kürzlich verstorbene Priester eines katholischen Kinderhilfswerkes in Südamerika, Padre William Wasson, hat gewissermaßen als sein Vermächtnis den Satz hinterlassen: »Es ist erstaunlich, was man in seinem Leben alles bewirken kann, wenn man es einfach Schritt für Schritt tut.« Das ist es!

Artikel vom 21.10.2006