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Missbrauch:
Neues Urteil

BGH sieht »zu hohes Strafmaß«

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). Wegen der Vergewaltigung eines Kindes in 15 Fällen und des sexuellen Missbrauchs in 32 Fällen wurde der Gütersloher Lagerarbeiter Ulrich E. im November 2005 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil der III. Strafkammer des Bielefelder Landgerichts jedoch wieder teilweise auf.

Gestern wurde neu verhandelt. Die IV. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Wolfgang Drees verurteilte den 42-jährigen Angeklagten diesmal zu neun Jahren und drei Monaten Gefängnis.
14 Jahre Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung hatte die Staatsanwaltschaft in ihrem ersten Plädoyer 2005 gefordert. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Reinhard Kollmeyer sah es damals als erwiesen an, dass E. die Taten begangen hat. Sie verzichtete allerdings auf die anschließende Sicherheitsverwahrung. Den Grund sah Kollmeyer darin, dass eine Resozialisierung sonst noch kaum möglich gewesen wäre. In der ersten Anklage war sogar noch von 432 Vergewaltigungen die Rede. Ulrich E. soll innerhalb von fünf Jahren seine zu Anfang neunjährige Stieftochter missbraucht haben. Der Angeklagte sprach während der acht Verhandlungstage immer wieder von einem Komplott gegen ihn, gab schließlich einige Missbrauchsfälle zu. Vergewaltigt, so der Lagerarbeiter, habe er seine Stieftochter jedoch nicht.
Sein Gütersloher Verteidiger Markus Kottmann mochte das Urteil nicht annehmen (das Strafmaß sei zu hoch) und ging in die Revision. Nach Prüfung kam der BGH zu folgendem Beschluss (Zitet): »Der Senat kann die Verurteilung in diesen Fällen nicht bestätigen, weil die Beweiswürdigung zum Vergewaltigungs-Tatbestand durchgreifenden Bedenken begegnet. Denn das Urteil legt nicht nachvollziehbar dar, dass der Angeklagte in sämtlichen Fällen immer auf dieselbe Weise den Geschlechtsverkehr mit seiner Stieftochter erzwang. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des - schon für sich gesehen ebenfalls auffallend hohen - Gesamtstrafen-Anspruchs nach sich.«

Artikel vom 20.10.2006