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Leben wie in
der Luftblase

Teenager-Probleme auf der Bühne

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WV). Innerhalb von nur 15 Stunden haben die Westfälischen Kammerspiele gleich zwei neue Produktionen vorgestellt. In beiden Stücken geht es um die Probleme der Teenager-Generation.

Während in der Probebühne an der Klingelgasse am Dienstag Abend erstmals das Schauspiel »Disco Pigs« gezeigt wurde, erlebte das Jugendstück »Bomber« am Mittwoch Vormittag in der Friedrich-von-Spee-Gesamtschule in Paderborn seine Premiere. Gemeinsam ist beiden Produktionen der Blick auf die Vereinsamung und Verunsicherung der heranwachsenden Jugend.
In dem vor zehn Jahren uraufgeführten Schauspiel »Disco Pigs« des irischen Autors Enda Walsh sucht ein junges Pärchen Halt und Orientierung aneinander. Dabei leben »Pig« (Christian Onciu) und »Runt« (Eva Mende) fast völlig abgeschottet von der sozialen Umwelt. Sie fühlen sich selbst wie in einer großen Luftblase, durch die der Alltag nur schemenhaft zu ahnen ist. Ihr nahezu einziger Berührungspunkt mit der Außenwelt ist der Disco-Palast, in dem sich die beiden Siebzehnjährigen, die ansonsten nur auf sich fixiert sind, austoben können.
Mitmenschliche Kontakte sind für das junge Paar ein Fremdwort. Ihr sozialer »Austausch« beschränkt sich auf Provokationen, Pöbeleien, Schlägereien und Schlimmeres - etwa wenn der Kioskbesitzer nebenan terrorisiert und beraubt wird. Seine latente Gewaltbereitschaft bekommt vor allem »Pig« nie in den Griff. Sie wird für Beide zum Problem - vor allem, als das Mädchen allmählich beginnt, sich der Außenwelt zu öffnen. Das Stück mündet so fast zwangsläufig in die Katastrophe.
Die Inszenierung von Ludger Lemper verlangt beiden Darstellern eine enorme körperliche und psychische Bereitschaft ab. Auf propper eingerichteter Bühne (Stephan Rinke) - das kleine Studiotheater ist kaum wiederzuerkennen - wird nach Kräften gerauft, gerannt und geliebt - und vor der bespöttelten Spießergesellschaft auch schon mal die Hose herunter gelassen.
Christian Onciu löst seine Aufgabe als temperamentvoller Draufgänger mit Hang zu Melancholie und Eifersucht mit Bravour. Er sprüht förmlich vor Spielfreude, die von seiner Bühnenpartnerin Eva Mende dankbar aufgenommen wird. So ergänzen sich Beide zu einem von Träumen und Ängsten gleichermaßen getriebenen Duo, das gut 60 Minuten lang Vollgas gibt.
Das Publikum, das überwiegend mit Hockern vorlieb nehmen muss, zeigte sich in der Premiere sichtlich beeindruckt von der nicht einfachen Bühnenkost und spendete moderaten, aber lang anhaltenden Applaus.
Eine gute Empfehlung für seine kommenden Aufgaben lieferte auch Kammerspiel-Debütant Johann Schiefer in dem Ein-Personen-Stück »Bomber« von Dirk Dobbrow. In dem zum Mini-Theaterraum umfunktionierten Klassenzimmer der Friedrich-von-Spee-Gesamtschule ließ er Schüler des neunten Jahrgangs an den Selbstgesprächen eines frisch verliebten Jugendlichen teilhaben, der mit seinem besten Freund gewettet hat, Mitschülerin Mona »rumzukriegen«. In dem gut 30-minütigem Monolog erfährt der Zuschauer mehr über die Biografie und die Befindlichkeiten der Hauptperson als in den »Disco Pigs«, wodurch das Stück viel mehr berührt - wie auch die Schüler in der anschließenden Diskussion bestätigten.
Das Stück »Bomber« (Regie: Julia Tausend), das für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet ist, kann von Schulen und Jugendzentren für eine Aufführung gebucht werden (Ruf 05251/88-2652).

Artikel vom 19.10.2006