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»Bundeswehr braucht keine Rambos«

Florian Sasse aus Volmerdingsen hat sich für zwölf Jahre verpflichtet - Auslandseinsatz inklusive

Von Sarah Essing (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen-Volmerdingsen (WB). Gefährliche Auslandseinsätze und Drill - dieses Bild hält sich in Teilen der Öffentlichkeit vom jungen Soldaten im Dienst der Bundeswehr. Florian Sasse aus Volmerdingsen hat den Schritt zum Bund vollzogen. Und das nicht nur für die Grundausbildung im Wehrdienst. Der 24-Jährige hat sich für zwölf Jahre verpflichtet.

Was bringt einen jungen Mann dazu, sich als Offizier bei der Bundeswehr zu bewerben? Für ihn stellte sich diese Frage nie. Sein Vater, Dr. Alfred Sasse, war als Arzt lange Jahre an Reservistenübungen tbeteiligt. An diesen nahm auch Florian von klein auf als Statist teil. »So war bei mir schon sehr früh das Interesse an dieser Arbeit vorhanden«, sagt er.
Ein Schülerpraktikum bei den Pionieren in Minden hätte ihn beinahe von seinem Weg abgebracht. »Die haben sich zwar richtig viel Mühe gegeben, aber es hat mich nicht gerade vom Hocker gerissen.« Er orientierte sich neu und liebäugelte mit einer Laufbahn bei der Polizei. Als er wegen einer leichten Sehschwäche abgelehnt wurde, erinnerte er sich an seinen ersten Berufswunsch und bewarb sich noch während der Schulzeit bei der Offizierprüfzentrale der Bundeswehr in Köln. »Dort wurden die Bewerber in einem dreitägigen Auswahlverfahren geprüft.« Dazu gehören Problemlösen in der Gruppe, Sport und Fitness, Intelligenztests, Überprüfung der sprachlichen Fähigkeiten und Fragen zur Allgemeinbildung. Das Wichtigste sei aber - »ähnlich wie bei der Polizei« - das persönliche Interview unter Aufsicht eines Psychologen. »Rambos werden bei der Bundeswehr nicht gebraucht«, stellt der 24-Jährige klar. »In diesen Gesprächen geht es vor allem um Einstellung und Motivation der Bewerber. Wer eine Matheprüfung verhaut, kann trotzdem noch eine Chance bekommen, aber wer beim psychologischen Gespräch nicht besteht, hat wenig Chancen.«
Florian Sasse meisterte die Hürde und trat am 1. Juli 2001 seinen Wehrdienst an. Wie alle anderen Wehrpflichtigen erlernte er zunächst einmal das Handwerkszeug des normalen Soldaten: »Das war die bisher härteste Zeit in meinem Leben«, erinnert er sich. Tatsächlich sei die Bundeswehr heute eher vergleichbar mit einem großen Konzern, »der nach den neuesten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Technik geführt wird.« Modernstes Personalmanagement und eine erstklassige Ausbildung in Theorie und Praxis an den neuesten Geräten stünden an erster Stelle. Wenn Florian Sasse von den Herausforderungen seiner Offiziersausbildung erzählt, in der es - neben der praktischen Handhabung neuester Technologien - vor allem um die Menschenführung und die Belastbarkeit in Extremsituationen geht, spürt man die Ernsthaftigkeit, mit der der Volmerdingsener seinen Beruf sieht. Nach der Grundausbildung begann für ihn die Ausbildung in seiner gewählten Truppengattung. Als Offiziersanwärter des Heeres stand für ihn fest, dass nur die Panzeraufklärer in Frage kamen. Sie seien die motorisierte, bodengebundene Aufklärungstruppe der Bundeswehr. Sie seien meistens in der ersten Reihe zu finden, teilweise sogar weiter voraus, um vom Boden aus zur Aufklärung und Nachrichtengewinnung beizutragen. Und besonders bei Auslandseinsätzen seien sie oftmals die Ersten. Dies steht auch Florian Sasse über kurz oder lang möglicherweise bevor.
Zurzeit studiert er noch an der Bundeswehr-Universität in Hamburg, doch danach kann der Pädagogikstudent jederzeit nach Afghanistan, in den Libanon oder in den Kongo geschickt werden. Vor allem für seine Mutter und seine Freundin sei der Gedanke daran nicht leicht. Berichte über neue Anschläge auf Soldaten in Afghanistan schürten jedes Mal die Angst. Und auch Florian Sasse selbst gibt zu, dass er daran lieber nicht denken will. »Auslandseinsätze sind auch unter den jungen Bundeswehrsoldaten ein großes Thema«, sagt er. »Vor allem, wenn man von Bekannten oder Feunden hört, die sich schon im Ausland befinden oder sich auf ihren Einsatz vorbereiten.«
Florian Sasse weiß um die Gefahren. Doch er stellt die Auslandseinsätze nicht in Frage. »Dann hätte ich meinen Beruf verfehlt.« Stattdessen sieht er sie lieber als neue Herausforderung. Die Panzeraufklärer erfüllten im Ausland vielfältigere Aufgaben, als es auf den ersten Blick scheine. »Sie sind zunächst dazu da, Präsenz zu zeigen«, erklärt er. »Aber in erster Linie sind wir Ansprechpartner für die Zivilbevölkerung. Wir knüpfen Kontakte, klären auf und erfüllen im weitesten Sinne Polizeiaufgaben.« Womit sich auch für Florian Sasse wieder ein Kreis schließen würde. Doch er trauert der verpassten Polizeikarriere in keinster Weise hinterher.

Artikel vom 21.10.2006