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Qualität als Trumpf, der sticht

Blechbläser der Berliner Philharmoniker in der Oetkerhalle umjubelt

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Brass-Ensembles sind in. In den vergangenen Jahren sind einschlägige Blechbläserformationen wie die Pilze aus dem Boden geschossen. Breit gefächert in der Klanggüte, treibt jeder so seine eigenen Spielchen, um sich von der Masse abzuheben.

Wie wohltuend war es da, die Blechbläser der Berliner Philharmoniker zu erleben, die ihren Auftritt in der Oetkerhalle spektakulär unspektakulär bestritten - sieht man von den heimatlichen Verbindungen von Ensemble-Mitglied Christhard Gössling einmal ab, die verständlicherweise, aber unaufdringlich anklangen. Fazit: Qualität als Gütesiegel erschließt sich auch ohne gewollt witzige Moderationen und Anekdötchen. Das Ensemble eröffnete die neue, hochkarätige Kammerkonzertreihe der Konzertdirektion Müller, in dessen Rahmen noch ein Klavierquartett sowie zwölf Cellisten aus den Reihen des Berliner Eliteorchesters ihre Visitenkarte in Bielefeld abgeben werden.
Das Blechbläser-Ensemble der Berliner Philharmoniker ist eine der am längsten gemeinsam musizierenden Kammermusikgruppen der Philharmoniker. Gegründet Mitte der fünfziger Jahre als Oktett mit vier Trompeten und vier Posaunen, vereint es heute alle Instrumente des »schweren Blechs«: in der Regel vier oder fünf Trompeten, fünf Posaunen, Tuba und zur klanglichen Abrundung ein Waldhorn.
Diese Besetzung garantiert ein enormes Klangspektrum in Bezug auf Farbe und Ambitus, und die zwölf Berliner Philharmoniker schöpften dies bis in die feinsten Verästelungen aus. Der nuancenreiche Klang, die lupenreine Intonation, die geschmeidige Tongebung, die bewegliche Stimmführung und all die technischen Hexereien dieses Ensembles sind legendär - der Live-Klang ist ein sinnliches Verwöhnprogramm, das bis zum Gänsehaut-Feeling führt.
Beispielsweise in den drei zu Gehör gebrachten Bach-Choralvorspielen. Danach gelobt man, ein besserer Mensch zu werden, so eindringlich und erhebend wirkten die Bläserarrangements, die hinsichtlich Farbigkeit, Beweglichkeit, musikalischer Aufstellung und Einfühlungsvermögen keinerlei Wünsche gegenüber der Orgelfassung offen ließen.
Aus dem kirchenmusikalischen Repertoire erbaute auch ein »Beatus Vir« von Renaissance-Meister Orlandus Lassus (Orlando di Lasso) für Posaunenquartett -Ê eine musikalische Andacht, die zur Kontemplation einlud. Gelegenheit, die andere, die lebenszugewandte Seite der Renaissance kennenzulernen, bot eine Tanz-Suite des weniger bekannten Lassus-Zeitgenossen und Landsmanns Tylman Susato. Sie vereinte höfisch-tänzerische Eleganz, kantablen Schmelz sowie satten treibenden Schlachtenruf.
Die Vielseitigkeit des Ensembles bescherte dem Publikum dann einen Quantensprung ins 20. Jahrhundert, wo Kurt Weill (Kleine Dreigroschenoper) und Glenn Miller zu munteren Bearbeitungen einluden ohne dass man auf Weills Schnoddrigkeit und Laszivität und auf Millers soghaften Swing und sinfonischen Sound hätte verzichten müssen. Dazwischen entdeckenswerte Gourmandisen zeitgenössischer Komponisten: Gordon Langfords »London Miniaturen« - eine witzige, schwungvolle Persiflage auf London und seine Eitelkeiten -Ê sowie drei schwedische Melodien von Mogens Andresen, die die Stimmung zwischen Melancholie und Überschwang kunstvoll ausloten. Hochgestimmter Beifall und zwei Zugaben.

Artikel vom 17.10.2006