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Die Hospiztätigkeit aus der Tabuzone herausbringen

Breit gefächertes Netzwerk soll in Zukunft weiter ausgebaut werden

Lübbecke  / Minden (ök). Der Erste Mindener Hospiztag, am Wochenende im Martinihaus in der Weserstadt durchgeführt und von mehr als 100 interessierten Personen besucht, war nicht nur eine Demonstration für die bisherige effektive Zusammenarbeit zwischen dem Hospizkreis Minden e. V. und der Hospizarbeit im Paritätischen Verein für freie Sozialarbeit Lübbecke, sondern auch und vor allem eine Veranstaltung für mehr menschliches Verhalten bei der Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen und für die in vielen Fällen zu leistenden Hilfestellungen für deren Angehörige.

Schwierige Aufgabenstellungen der Hospizarbeit in einer Zeit, in der materielles Denken und Handeln notwendiges menschliches Miteinander und damit nicht selten die auch früher hierzulande antreffende »Kultur des Abschied nehmens« weitesgehend verdrängt haben.
Schon das Motto des ersten Vortrages von Adelheid Rieffel, Leiterin des Hospizes »Haus Zuversicht« in Bielefeld-Bethel mit dem Thema »Zwischen Hoffen und Hoffnungslosigkeit - was brauchen Angehörige bei der Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen?« ließ deutlich werden, welche Probleme sich möglicherweise auch bei Angehörigen ergeben können, wenn das Abschied nehmen von einem lieben Menschen täglich deutlich sichtbarer wird. Hier Hilfestellung zu leisten, und zwar für den Kranken und die oft überforderten Angehörigen gleichermaßen, gehört zu den erklärten Zielen der Hospizarbeit, »die auch dann nicht aufhören muss«, wie den mit erlebten Beispielen eindrucksvoll belegten Ausführungen der Vortragenden zu entnehmen war, »wenn Angehörige in der Trauerzeit danach noch Beistand brauchen.«
Auch Antje Rohlfing, Fachbereichsleiterin für den Hospizbereich im Paritätischen Verein für freie Sozialarbeit Lübbecke, unterstrich die Bereitschaft ihres Fachbereiches, wenn gewünscht, helfend und beratend den Kranken und ihren Angehörigen zur Seite zu stehen. »Mit unseren vielschichtigen Angeboten, wie ambulante Palliativberatung, der Begleitung zuhause durch ehrenamtliche Hospizhelfer und, dem stationären Hospiz »Veritas« mit seinen zehn Betten und angenehmen Aufenthaltsräumen und der Trauerarbeit haben wir bereits ein breites, recht tragfähiges Netzwerk geschaffen, das in Zukunft noch weiter ausgebaut und mit palliativerfahrenen Hausärzten, Sozialstationen, Palliativstationen und anderen Hospizdiensten verknüpft werden soll.« Mit diesen Maßnahmen soll nach Aussage von Antje Rohlfing sichergestellt werden, dass schwerstkranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen jederzeit eine angemessene Versorgung erfahren. So würde erreicht, dass Schwerstkranke so lange sie möchten und Angehörige es könnten zu Hause gepflegt und betreut werden könnten. Über das Hozpiz Veritas könnten nach telefonischer Vereinbarung unter 0 57 41 - 8 09 60 die Dienste ihres Fachbereiches jederzeit angefordert werden.
Behandelt in den vier Workshops des Hospiztages wurden außerdem Möglichkeiten der palliativen Beratung zur Verbesserung der Lebensqualität bei Schmerzen von Schwerstkranken. Fachkrankenpfleger Andreas Gerdes stand auf diesem Gebiet den Teilnehmern dieses Workshops Rede und Antwort. Erich Schlotmann, Dozent für integrative Medizin, behandelte die sich oft Angesichts des nahen Todes und unter dem Eindruck von Leid häufig einstellenden Gefühle von Hilflosigkeit und dem vermeintlichen Ausgeliefertsein. Auf die Frage seines Themas »Im Sterben leben - im Leben sterben - wie kann das gehen?« gab er überzeugende und für die aufmerksamen Zuhörer durchaus plausible und hilfreiche Antworten.
Rechtsanwalt Wolfgang Lange, Mitinitiator der »Mindener Patientenerklärung«, gab hierfür und für die Abfassung der Gesundheitsvorsorgevollmacht wertvolle Tipps. Beides Bereiche, die zunehmend an Bedeutung gewinnen und im Ernstfall rechtlichen Erfordernissen standhalten müssen. Die in der anschließenden Diskussion gestellten Fragen machten deutlich, dass auf diesem Gebiet noch weitgehend Unklarheit besteht und Rechtsberatung hierfür unerlässlich ist.
Fazit des Ersten Mindener Hospiztages: Eine informative, sorgfältig zusammengestellte und von hoher Fachkompetenz getragene Veranstaltung, »die zweifellos dazu beitragen wird«, wie Superintendent Jürgen Tiemann schon in seiner Begrüßung vermutet hatte, »die Hospiztätigkeit aus der Tabuzone herauszubringen und sie als einen Beitrag zur Vermenschlichung der Gesellschaft anzuerkennen.«

Artikel vom 17.10.2006