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Beratungsbedarf wird zunehmen

Neue gesetzliche Regelungen bei Hartz IV haben Auswirkungen auf Betroffene

Von Manfred Utesch
Schon im Jahr 2005, vor allem aber im Jahr 2006, gibt es eine Reihe von neuen gesetzlichen Regelungen bei Hartz IV, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und zwar zum 1. April 2006, zum 1. Juli 2006, zum 1. August 2006 und zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Diese gesetzlichen Regelungen haben zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Betroffenen.

Dadurch, dass die volljährigen Kinder bis zum 25. Lebensjahr mit den Eltern in die sogenannte Bedarfsgemeinschaft mit aufgenommen werden, erhalten diese Kinder jetzt nur noch 80 Prozent der Regelleistungen.
Darüber hinaus führt diese gesetzliche Neuregelung wohl in der Regel dazu, dass die Eltern beziehungsweise der betroffene Elternteil, der mit dem Kind zusammenlebt, zum Unterhalt für das volljährige Kind herangezogen werden, weil nun auch ihr Einkommen und das eventuell vorhandene Vermögen berücksichtigt wird.
Dabei werden bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit die Regelsätze des SGB II nach der Absicht des Gesetzgebers zu Grunde gelegt. Im Ergebnis bedeutet dieses praktisch, dass die Eltern für die Kinder bis zum 25. Lebensjahr aufzukommen haben. Diese Regelung gilt seit dem 1. Juli 2006. Ob diese Absichten des Gesetzgebers von der Rechtsprechung mitgetragen werden, ist zweifelhaft. Eine Unterhaltspflicht der Eltern dürfte gegenüber den volljährigen Kindern jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht dann nicht mehr bestehen, wenn diese sich nicht mehr in einer Ausbildung befinden. Sie haben in der Regel für sich selbst zu sorgen. Darüber hinaus ist auch zweifelhaft, ob bei der Berechnung des Bedarfs der Eltern nur die Regelsätze nach SGB II zuzüglich geringer Freibeträge in Ansatz zu bringen sind.
Die Eltern können auf diese Weise bei vorhandenen relativ hohen finanziellen Verpflichtungen, zum Beispiel für ein Familienheim oder eine Eigentumswohnung, schnell in eine wirtschaftliche Krise geführt werden, zumal für das Kind neben den Unterhaltsleistungen auch noch die Beiträge für die Krankenversicherung aufgebracht werden müssen. Der Auszug des volljährigen Kindes ist nach den gesetzlichen Bestimmungen ebenfalls verbaut, weil ein solcher Umzug nur mit Zustimmung der ARGE erfolgen darf. Ohne dessen Zustimmung werden keine Leistungen nach SGB II gewährt. Im einzelnen dürfte an den gesetzlichen Regelungen vieles umstritten sein.
Es wird wohl einige Zeit dauern, bis wesentliche Punkte durch die Rechtsprechung geklärt sind, wenn nicht inzwischen neue gesetzliche Regelungen die durch die Rechtsprechung gefundenen Ergebnisse erneut über den Haufen werfen. Seit dem 1. August 2006 werden auch Partner, unabhängig vom Geschlecht, in die Bedarfsgemeinschaft mit einbezogen. Leben sie länger als ein Jahr in einem gemeinsamen Haushalt, wird vermutet, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht.
Da auch seit dem 1. August 2006 für die Bedarfsgemeinschaft das Einkommen und Vermögen des Partners mit einbezogen wird, führt dieses dazu, dass auch Stiefväter oder -mütter bzw. Partner(in) für den Bedarf des nicht von ihnen stammenden Kindes mit herangezogen werden können. Wie erzieltes Einkommen zu berücksichtigen ist, ist seit dem 1. Oktober 2005 gesetzlich geregelt. Neben dem üblichen Abzug von Steuern und Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung gibt es gestaffelte Freibeträge, die bei einem Bruttoeinkommen von 1500 Euro bis auf 310 Euro ansteigen können. Vermögen wird ebenfalls berücksichtigt, wenn es bestimmte Freibeträge übersteigt. Die Freibeträge sind seit dem 1. August 2006 deutlich gesenkt worden.
Weiter wird für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 die Altersvorsorge für Bezieher von Arbeitslosengeld II deutlich verschlechtert. Die Beiträge, die an die Rentenversicherung abzuführen sind, werden erheblich gesenkt. Für diejenigen, die aufstockend Arbeitslosengeld II erhalten, werden keine Beiträge mehr an die Rentenkasse abgeführt.
Es gibt eine Vielzahl weiterer Änderungen, die im Einzelnen hier nicht mehr behandelt werden können. Darauf hinzuweisen ist, dass nun auch Unterhaltsansprüche kraft Gesetzes nach § 33 SGB II in Höhe der Aufwendungen auf den Leistungsträger (ARGE) übergehen. Im Einzelnen ist auch dort vieles streitig. Aufgrund dieser neuen gesetzlichen Regelungen, die hier nur skizzenhaft dargestellt werden konnten, besteht deshalb für Familien und ihre Angehörigen ein hoher rechtlicher Beratungsbedarf.

Artikel vom 14.10.2006