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»Druck aufs System wird steigen«

AfA lädt ein zu Diskussion über die Eckpunkte der Gesundheitsreform

Kreis Lippe (SZ). Auf Einladung der lippischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA) diskutierten Beschäftigte des Klinikums Lippe und Versicherte die Eckpunkte der Gesundheitsreform. »Wir wollen nicht nur informieren, sondern auch die Ergebnisse mit den Zielsetzungen der Koalitionsparteien vergleichen und bewerten«, so der Vorsitzende, Dr. Bernd Groeger.

Zunächst informierte der Politikwissenschaftler Dennis Maelzer ausführlich über das aktuelle Ergebnis der Koalitionäre aus wissenschaftlicher Sicht. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) seien die Kosten des Gesundheitswesens kaum angestiegen, allerdings, so Maelzer, sei die Finanzierungsbasis aufgrund des alleinigen Lohnbezuges der Beiträge weg gebrochen. Während das Wirtschaftsergebnis (BIP) in zehn Jahren um 15 Prozent gewachsen sei, sei die Grundlohnsumme in der gleichen Zeit um fünf Prozent gesunken. Außerdem belasteten die Abwanderung von jährlich etwa 200 000 Versicherten zu den Privatkassen und der Beschluss der Bundesregierung, Krankenbeitragskosten der Arbeitslosengeld II-Empfänger auf die Versichertengemeinschaft abzuwälzen, die Einnahmen der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Ebenso belastend sei der Beschluss, den Anteil an der Tabaksteuer in Höhe von 4,2 Milliarden Euro dem System zu entziehen. Deshalb könne nicht von einem fairen Finanzierungssystem gesprochen werden. Auf der Leistungsseite seien jedoch keine Kürzungen vorgesehen, außer bei selbstverschuldeten Schönheitsoperationsfolgen. Dagegen sei etwa die Rehabilitation Älterer oder die Vater-Mutter-Kindkur endlich gesichert.
Maelzers Fazit: »Die Gesundheitsversorgung und ihre Finanzierung wird ein Dauerbrenner bleiben und der Druck auf das Gesundheitssystem steigen.«
In der Diskussion machte sich laut SPD einerseits Enttäuschung breit, weil deutlich geworden sei, dass wieder nicht gleichermaßen alle Einkommen zur Finanzierung einbezogen werden sollten. Außerdem habe sich die Sorge breit gemacht, dass aufgrund der Kostendeckelung eine verdeckte Leistungsreduzierung eintreten werde. »Denn woher sollen die Krankenhäuser, die entsprechend dem Beschluss der Koalition ein Prozent sparen sollen, das Geld nehmen, wenn sie gleichzeitig die höheren Kosten aus dem Ärztetarifvertrag umsetzen müssen?«, so eine Teilnehmerin. Auf Empörung sei auch die Information gestoßen, dass zwar die »Kopfpauschale« auf ein Prozent der Einkommen begrenzt, aber mindestens in Höhe von acht Euro erhoben werden solle. Dies komme einer unvertretbaren Kürzung aller Hartz IV-Einkommen und anderer Geringverdiener gleich.
»Das Koalitionsergebnis ist offensichtlich der kleinste gemeinsame Nenner der vielfältigsten Anbieter- und Politikinteressen, aber weder nachhaltig noch gerecht finanziert. Die gesetzliche Krankenversicherung droht damit an die Wand gefahren zu werden«, so der stellvertretende Bundesvorsitzende Hermann Hibbeler.

Artikel vom 13.10.2006