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Telegramm bei Glockenschlag

Paderborner Lehrer entwickelte 1850 eines der ersten Telegrafengeräte

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Die Paderstadt ist stolz auf ihr Image als Standort der Informationstechnologie und ihren Computerpionier Heinz Nixdorf. Dabei ist die Geschichte der Paderborner Nachrichtentechnik viel älter.

Schon 100 Jahre vor Heinz Nixdorf tüftelte der Paderborner Priester und Naturkundelehrer Professor Anton Gundolf an einem modernen Telegrafiesystem. Der von ihm um 1850 entwickelte »Zeigertelegraf« wird in der jüngsten Veröffentlichung des Vereins für Geschichte an der Universität Paderborn beschrieben.
»Gundolf war ein in entsprechenden Technikbüchern weltweit genannter und diskutierte Telegrafenbauer«, fasste Buchautor Ulrich Chytrek jetzt seine Forschungen über den naturwissenschaftlich ausgebildeten Hobbybastler zusammen. Das von Gundolf in den Jahresberichten des Gymnasiums Theodorianum aus dem Jahr 1849/50 detailliert beschriebene und mit einer maßstabsgetreuen Zeichnung erläuterte Gerät sollte die Nachrichtenübermittlung der Bahn verbessern. Während die damals übliche optische Zeichenübermittlung angesichts der wachsenden Geschwindigkeit der Züge nicht mehr genügte, entwickelte der Paderborner Gymnasiallehrer ein elektromagnetisches Verfahren.
Vermarkten konnte Gundolf seinen Apparat, der aus getrenntem Sender und Empfänger besteht, allerdings nicht. »Sein System war einfach zu langsam«, erläutert Chytrek. »Einen Text mit seinem Telegrafen zu übermitteln brauchte im Test drei Mal so lange wie mit damals üblichen Systemen. In der Praxis hätte das vermutlich noch wesentlich länger gedauert.«
Wenn man Gundolfs Zeichengeber in Bewegung setzt, klingelt beim Empfänger zunächst eine Glocke. »Damit der Bahnbeamte wach wird«, scherzt Chytrek. Der Empfänger der Nachricht muss die elektromagnetisch übertragenen Zeichen dann auf seinem Buchstabenrad zeitgleich optisch ablesen und mitschreiben.
Das einzige funktionsfähige Gerät eines Gundolf-Telegrafen ist ein Modell, das bereits vor elf Jahren von Auszubildenden des Paderborner Ausbesserungswerks angefertigt wurde und heute im Heinz-Nixdorf-Museum ausgestellt ist. »Es ist anzunehmen, dass Gundolf selbst ein Demonstrationsobjekt gebaut hat«, erläutert Chytrek. »Aber ein Patent ist dafür nicht angemeldet worden.«

Ulrich Chytrek: »Der Telegraf von Prof. Gundolf aus Paderborn von 1850«, Paderborner Beiträge zur Geschichte, Band 15, 120 Seiten, 16.80 Euro, ISBN 3-89498-168-7.

Artikel vom 13.10.2006