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Kommune
wird zum
Konzern

NKF löst Kameralistik ab

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Während für alle Bürger sichtbar Handwerker und Architekten das alte Rathaus Stück für Stück in ein modernes Servicezentrum verwandeln, vollzieht sich in den Amtsstuben nach außen hin unsichtbar ein nicht weniger einschneidender Wandel. Dort werden die Weichen für ein neues Rechnungswesen gestellt.

Kaufmännische Grundsätze sollen vom 1. Januar 2009 an die alte Kameralistik ablösen. Um diesen Weg sicher zu gehen, hat sich die Verwaltung einen Lotsen an Bord geholt: den Diplom-Kaufmann Joachim Stärke. Der gebürtige Stemweder hat seine Feuertaufe in punkto NKF (Neues Kommunales Finanzmanagement) schon hinter sich - in der Stadt Moers (107 000 Einwohner), einem der vielen Sorgenkinder in Nordrhein-Westfalen. Denn die Stadt im Rheinland konnte wie 50 Prozent der Kommunen den Haushalt nicht mehr ausgleichen und ist seit 1994 im Haushaltssicherungskonzept.
Direkt nach seinem Studium in Paderborn bekam der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann eine Anstellung in Moers und erlebte als einer von wenigen Mitarbeitern in den NRW-Rathäusern die Geburtsstunde des NKF mit. »Moers war eine von fünf Pilotkommunen, in denen das NKF erprobt wurde, und ich war mit einem Kollegen für die Umsetzung zuständig«, erzählt der 38-Jährige. Die Erkenntnisse aus seiner Arbeit in Moers sind schließlich in den Gesetzestext mit eingeflossen.
Joachim Stärke ist begeistert von der Weichenstellung für die Haushalte der Kommunen: »Schon im Studium wurde mir klar: In den Kommunen kommen das Kosten-Leistungsdenken und das Controlling viel zu kurz«, sagt er und ist überzeugt: »Mit dem neuen System ist eine viel bessere Steuerung möglich.« Und das sei natürlich auch für Verl wichtig, obwohl er im Vergleich zu Moers feststellen müsse, dass er ins Gelobte Land gekommen sei.
Sinn des neuen Systems sei es, eine völlig neue Blickweise zu bekommen, nicht nur Zahlungsabflüsse zu sehen, sondern auch Erträge und Aufwand. »Es wird wie in einem Unternehmen eine Gewinn- und Verlustrechnung geben und eine Inventur gemacht«, erklärt er. Die alte Form von Verwaltungs- und Vermögenshaushalt werde bald der Vergangenheit angehören. »Es gibt dann keine Haushaltsstellen mehr, sondern Produktbereiche. Die Kommune wird so etwas wie ein Konzern, und wenn man so will, dann wird der Bürgermeister der Manager dieses Konzerns sein«, so Joachim Stärke.
Der Charme des neuen Systems bestehe darin, dass wirklich alles an Vermögen und Schulden zum vorsichtig geschätzten Zeitwert bewertet werde. So würden zum Beispiel alle Immobilien inventarisiert, ihr Wert erfasst und ihr Wertverlust dargestellt. »Aktuell werden in Verl etwa 50 Gebäude wie etwa Schulen und Turnhallen von einem Gutachter bewertet. Ein Ingenieurbüro bewertet Straßen und nimmt die Schäden auf. Das gleiche passiert mit Grundstücken, Brücken und Grünanlagen.« Neben der Inventarisierung ist die Umstellung auf eine neue Software das große Thema, mit dem sich Joachim Stärke beschäftigt: »Zurzeit überlegen wir, welche Software für uns geeignet ist.« Auch wenn die Fäden bei ihm zusammenlaufen, so weiß er doch ganz genau, was NKF für das Rathaus bedeutet: »Daran sind alle beteiligt und müssen alle mitarbeiten.«
Im Frühjahr ist Joachim Stärke aus dem Rheinland ins Rathaus der Ölbachgemeinde gewechselt. »Um wieder in meiner Heimat zu sein«, sagt er und lächelt zufrieden. Jeden Tag fährt er von Stemwede nach Verl und wieder zurück. So verbindet er Arbeitsstelle und Heimatort, wo seine Familie auf ihn wartet: seine Frau Cornelia und sein Sohn Pascal. Und sein Verein: »Ich spiele Tischtennis, sogar ganz gut«, lächelt er. Auch da ist er in seiner Heimat verwurzelt: Seit 1979 ist er dabei, spielt in der 1. Kreisklasse.

Artikel vom 11.10.2006