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Hausparlament vertritt die Jugendlichen

Nach den Herbstferien sind im Wadi Wahlen - Amtsinhaber wollen weiter machen

Von Matthias Kleemann
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Nach den Herbstferien sind Wahlen. Die drei Amtsinhaber haben große Lust, weiter zu machen. Es gibt aber wohl auch weitere Kandidaten, die antreten möchten.

Das klingt gut, ist es doch heutzutage nicht mehr selbstverständlich, dass Leute sich um ein Ehrenamt drängen. Anders sieht es ganz offenbar im evangelischen Jugendhaus Wadi aus. Dort arbeitet seit November vergangenen Jahres ein dreiköpfiges Hausparlament - und alle sind zufrieden.
»Hausparlament klingt vielleicht etwas hoch gegriffen«, sagt Jugendhausleiter Eberhard Sprenger, der die Idee dazu hatte. So war auch anfangs die Bezeichnung »Jugendvertretung« im Gespräch. Denn, auch wenn Vorsitzende Lena Höwelkröger (16), Stellvertreter Mario Persicke (28) und Vertreterin Katrin Bröckling (17) nur von den 23 ehrenamtlichen Mitarbeitern des Hauses gewählt werden, so sollen sie doch alle Jugendlichen vertreten.
Aber Hausparlament klingt einfach griffiger und hat sich mittlerweile durchgesetzt. Die drei sind bei den Mitarbeitern ohnehin und bei den Gästen des Hauses überwiegend bekannt. »Die Stammgäste wissen es alle«, sagt Lena Höwelkröger. Die Sitzungen, die etwa einmal im Monat stattfinden, sind in der Regel öffentlich, interessierte Zuhörer sind willkommen, außer natürlich, es geht um persönliche Dinge.
Streitschlichtung zum Beispiel. Einige Male wurde dieses Angebot bereits in Anspruch genommen. Die Jugendlichen wissen, dass es dieses Angebot gibt und nutzen es bei Bedarf. »Wir hören uns beide Seiten an, dann beraten wir, wie sich die Sache aus der Welt schaffen lässt. Dabei soll sich niemand in die Ecke gedrängt fühlen«, sagt Mario Persicke. Häufig geht es um üble Nachrede oder Beleidigungen. Damit das Hausparlament eine Grundlage für seine Entscheidungen hat, nimmt es demnächst an einer Schulung zum Thema »Konflikt-Management« teil.
Dieser Kurs ist sicher auch für die zweite, manchmal brisante Aufgabe des Hausparlaments von Nutzen, nämlich wenn es darum geht, Hausverbote auszusprechen. Dreimal ist das während der Amtszeit des Hausparlaments geschehen. Hausverbote werden befristet ausgesprochen, je nach Schwere des Vergehens, bei dem es sich um einen mehr oder weniger massiven Verstoß gegen die Hausordnung handelt (Alkoholgenuss, Zerstörungen).
Aber es gibt natürlich auch angenehme Aufgaben. So hat das Hausparlament einen Wochenendausflug für alle Mitarbeiter vorbereitet und geplant. Statt langwieriger und umständlicher Diskussionen im großen Kreis konnte man in kleiner Runde effektiv arbeiten: Sich über ein Ziel verständigen, Übernachtungsmöglichkeiten heraus suchen, Kosten ermitteln. Der Vorschlag wurde zur Abstimmung gestellt und angenommen.
»Eine solche Einrichtung nimmt der Hausleitung einiges an Arbeit ab«, freut sich Eberhard Sprenger. Nebeneffekt ist, dass manche Entscheidungen sogar eher akzeptiert werden. Ein Hausverbot, nur vom Leiter ausgesprochen, wird möglicherweise schnell als parteiisch empfunden.
Ein Hausparlament spart sogar Geld. Die drei haben sich nämlich eine Pfandregelung für die Spielgeräte im Haus ausgedacht: Billardqueues, Kickerbälle und Ähnliches werden nur gegen Abgabe eines persönlichen Gegenstandes (ausgenommen Schlüsselbund) herausgerückt. Tatsächlich halten die Sachen seitdem länger. Eine besonders pfiffige Regelung gibt's für die Dart-Pfeile: Die Spitzen für diese Pfeile sind abnehmbar, sie können für einen kleinen Geldbetrag gekauft werden. So hat jeder Dart-Spieler seine eigenen Spitzen. Den Rest des Pfeils gibt's gegen Pfand - siehe oben.
Arbeitsgrundlage ist ein zwei DIN-A-4-Seiten umfassendes Papier, das Eberhard Sprenger zunächst Satzung genannt hatte. Aus rechtlichen Gründen geht das aber nicht, so heißt es eben einfach »Arbeitsgrundlagen«. Darin werden Aufgaben, Rechte und Pflichten des Hausparlaments geregelt. Geändert wurde bereits - ganz unbürokratisch - die Wahlperiode. Sie sollte im Ursprung nur sechs Monate betragen. »Als die Zeit um war, haben wir gefragt, ob wir noch ein halbes Jahr dran hängen können«, berichtet Mario Persicke. Niemand hatte etwas dagegen, was zeigt, dass die Einrichtung im Haus mittlerweile unumstritten ist. Das war am Anfang, als Sprenger den Vorschlag zur Einführung machte, nicht so. »Es gab große Skepsis«, berichtet er. »Man hatte Angst, das so ein Gremium zu viel Macht bekommt.« Diese Bedenken konnten inzwischen zerstreut werden. Und Sprengers Hintergedanke, das Interesse für politisches Arbeiten zu wecken, ist gleichzeitig aufgegangen.

Artikel vom 11.10.2006