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Grabrede sorgt für Eklat

Heinz Höppner schreibt über mutigen Pfarrer

Von Hartmut Horstmann
Herford (HK). Trauerreden können zu Herzen rühren. Die Augen werden feucht, die Taschentücher reichen nicht aus. Eine etwas andere Vorstellung von einer Grabrede hatte der Hiddenhauser Pfarrer Georg Friedrich Seemann. Er rief vor allem die schlechten Seiten des Verstorbenen in Erinnerung.

Für den Heimathistoriker Heinz Höppner ist der Geistliche, der seine spektakuläre Rede im Jahr 1819 hielt, ein Held: »Wenn es heute mehr mutige Pfarrer gäbe, die das Unrecht so offen anprangern, würde es in der Welt vielleicht besser aussehen.« Mit dem Herrn Seemann, der sich weigerte, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen, beschäftigt sich Höppner in einem Aufsatz, der im nächsten Historischen Jahrbuch für den Kreis Herford erscheint.
Pfarrer Seemann (1748 bis 1824) scheint kein Leisetreter gewesen zu sein. Ingesamt vier Ehen zeugen von einer askesefernen Bejahung des Irdischen. »Pfarrer waren damals bei den Frauen sehr begehrt«, weiß Höppner, der sich intensiv um die Hiddenhauser Heimatgeschichte kümmert. 30 000 Urkunden und Dokumente aus Archiven in Münster und Detmold hat er auf Mikrofish festgehalten. Die kleinen Speicher sehen aus wie Negative, die auf einem Bildschirm vergrößert werden. Eine gewaltige Arbeit, die alten Dokumente aus der Sütterlin-Schrift zu übertragen, doch Höppner gibt nicht auf. Und so stieß er auf die Grabrede des Pfarrers, die dieser auf einen gewissen Freiherrn von Eller gehalten hat, der auch Herr auf Gut Bustede war. Nachdem Seemann Positives genannt hatte, folgte die Abrechnung mit den Schwächen des Verstorbenen. Dieser sei jähzornig gewesen, oft missmutig. Auch scheint er in der Kirche kein häufiger Gast gewesen zu sein.
Der Hiddenhauser Bruch mit irgendwelchen Nettigkeits-Konventionen hatte Konsequenzen. Die Zuhörer, die eigentlich trauern wollten, waren plötzlich geschockt. Es kam zur Anzeige, und der Geistliche musste sich vor Gericht verantworten. »Nur sein hohes Alter und sein langjähriges Predigtamt bewahrten ihn vor großem Schaden«, so Höppner.
Das Historische Jahrbuch erscheint am 15. November. Zahlreiche Informationen können bereits im Internet abgerufen werden.
www.kreisheimatverein.de

Artikel vom 07.10.2006