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Ein Wandergeselle mit
Talent zum Kochen

24-jähriger Sachse arbeitete auch schon in Afrika

Von Wilfried Mattner
Engershausen (WB). Seit August 2003 ist Bertram Puls »auf der Walz«. Der Zimmerer ist als Wandergeselle unterwegs und sammelt momentan im Betrieb von Ulrich Birkemeyer in Engershausen Berufserfahrung.

Puls stammt aus Annaberg-Buchholz in Sachsen und ist einer von etwa 650 bis 800 deutschen Wandergesellen, die noch »auf der Walz« sind. Ihre Zahl sinkt stetig, weil es in Europa immer weniger Berufe gibt, deren erfolgreiche Ausbildung mit einem Gesellenbrief belohnt werden. Den aber muss haben, wer mit einem kunstvoll gepackten Bündel, dem »Charlottenburger«, beispielsweise als Zimmerer auf Wanderschaft gehen will. Der 24-jährige Puls gibt sich ganz traditionell: Zimmermannskluft mit Cordanzug, kragenloses Hemd, Staude genannt, »Ehrbarkeit«, eine Art Schlips als Erkennungsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft, als »Schacht« bezeichnet, eine Weste und der Wanderstock (»Stenz«) gehören dazu. Werkzeug und persönliche Habe befinden sich im »Charlottenburger«, einem mit den Zunftzeichen des Gesellen bedruckten Tuch. Er gehört der »Gesellschaft rechtschaffener fremder Zimmerergesellen« an; insgesamt gibt es sechs dieser Gesellschaften und eine für die frei Reisenden. Jede Gesellschaft hat ihre eigenen Rieten, wobei die Unterschiede jedoch eher gering sind. Bertram Puls: »Die Ehrbarkeiten haben z.B. verschiedene Farben als Erkennungsmerkmal.«
Der junge Mann ist schon weit gereist. Gearbeitet hat er in Betrieben von Irland bis Spanien, hat in Weißrussland, Südafrika und Namibia Berufserfahrung gesammelt. Mit seinen Englischkenntnissen ist er bislang überall klar gekommen. Besonders lehrreich war sein Aufenthalt in Afrika, wo er ohne jede Maschinenhilfe Häuser aus Rundhölzern bauen half. Und in Weißrussland gehörte er zu einer Hilfsorganisation, die über einen Dolmetscher verfügte.
In Engershausen arbeitet er noch bis etwa Mitte November im Betrieb von Ulrich Birkemeyer. Der 39-Jährige ist Meister und Restaurator im Zimmererhandwerk, war jedoch selbst nicht auf der Walz. »Dazu fehlte mir der Mut«, gibt er freimütig zu. Als Ein-Mann-Betrieb gründete er seine Zimmerei 1994 in Pr. Oldendorf, ging dann mit der Firma von 1996 bis 2000 nach Rahden und ist seitdem wieder in Pr. Oldendorf zuhause. Tätig ist er mit drei festen Mitarbeitern und einer Aushilfe im gesamten Bundesgebiet, Arbeitsschwerpunkte sind Altbausanierung, Neubauten, Holz im Garten und Innenausbau.
Bertram Puls arbeitet derzeit für freie bzw. sehr günstige Kost und Logis in Engershausen, entlohnt wird er nach geltendem Handwerksrecht. Die Krankenversicherung muss er selbst tragen, gegen Arbeitslosigkeit ist er nicht versichert. Berufserfahrung hat er »auf der Walz« mittlerweile in etwa 15 Betrieben gesammelt und war dabei nicht nur als Zimmerer tätig: »Auch gemauert habe ich schon.« Im Hause Birkemeyer gehört er inzwischen zur Familie, wozu sein Talent als Hobbykoch nicht unwesentlich beigetragen hat . . .

Artikel vom 07.10.2006