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Hannes Wader -Êzwischen Idylle und Protest

Umjubelter Liedermacher lenkt in Höxter den Blick auf unbezahlbare Kostbarkeiten


Von Wolfgang Braun
Höxter (WB). Für Hannes-Wader-Freunde ein wahres Fest: Ohne viele Zugaben durfte der umjubelte Liedermacher nicht von der Bühne, als er am Freitag in seiner »Mal-angenommen«-Tournee - so auch der Titel seiner neuen CD - in der Stadthalle Höxter auftrat.
Längst ist Hannes Wader (64) kein DKP-Mitglied mehr, doch zeigte er in dem Konzert Flagge gegen Neo-Nazi-Gewalt, Krieg und gegen die »Profitmaschinerie«. Er stellte klar, dass man noch Träume von einer besseren Gesellschaft haben müsse, um nicht der Resignation anheimzufallen.
Doch er ist alles andere als ein Propagandist. Er ist ein Liedersänger, der gern den Blick lenkt auf unbezahlbare Kostbarkeiten: Den verzauberten Weißdornstrauch in seiner schleswig-holsteinischen Wahlheimat, die Birke vor dem Haus, wo er mit seiner Liebsten ein Glas Wein im Abendrot trinkt, den Brunnen im Wald von Bouxwiller im Elsass, wo sich die Freunde treffen und die alten Lieder singen. Alte Lieder: er liebt sie, gräbt sie aus, poliert sie auf. So wie das preußische Soldatenlied »König von Preußen« aus der Zeit des Friedrich Wilhelm I, dass vom Elend im Leben in Uniform erzählt. Wenn er es auf der Bühne »vorführt«, wie er sagt, dann belebt ihn die Freude am Gesang und die Freude daran, Partei zu ergreifen.
Ein persönlicher Rekord: Gut 16 Minuten lang ist sein brandneues Lied »Familienerbe« -Êein Rückblick auf markante Stationen seiner Familiengeschichte, die sich in der »Anonymität des ostwestfälischen ländlich Landproletariats« - Wader stammt aus der Nähe von Bielefeld - verläuft. 1872, im Jahr der BismarckÔschen Sozialistengesetze, wird sein Ur-Ahn Martin Götting mit seiner Frau und sieben Kindern von seinem Hof vertrieben, weil sie Sozialisten sind. Die nächsten Generationen: kleine Leute werden verraten von der Sozialdemokratie, liegen im Clinch mit den Nazis. Dieses Lied ist auch eine Ortsbestimmung, die Waders Werdegang als Liedermacher mit eindeutiger politischer Ausrichtung plausibel werden lässt. Er ist zudem ein Sänger, der deutsche Volkslieder wieder zu ihrem Recht verholfen hat. Sein Hass auf Rechtsradikale schützt ihn aber nicht davor, dass diese Lieder von volkstümelnden Neo-Nazis missbraucht werden. In einem gesungenen »Statement in eigener Sache« verwahrt er sich in seinem Konzert scharf dagegen.

Artikel vom 09.10.2006