11.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mit dem Traktor bis zur Edelweißspitze

Winfried Langner nahm an der Trecker-Weltmeisterschaft am Großglockner teil

Von Herbert Sobireg
Lauenförde (WB). »Wie eine Märchenlandschaft präsentierten sich bei Rosenheim urplötzlich die mächtigen hohen Berge vor mir. War das ein wunderschöner Anblick, dieses Panorama. Ich hätte jubeln können, doch Freudentränen verschleierten mir vorübergehend den Blick.«

»Mein Trecker Robert und ich hatten es geschafft: dicht vor uns - zum Greifen nah - lagen die Alpen. Nun war es nicht mehr weit bis zum Großglockner, wo in diesem Jahr die Trecker-Weltmeisterschaft ausgetragen wurde. Und daran wollte ich unbedingt teilnehmen. Nicht unbedingt gewinnen, aber die Teilnahmeplakette wollte ich haben und an meinem Trecker befestigen«
Sechs Tage hatte Winfried Langner mit seinem Trecker Deutz D 15, Baujahr 1961, für die insgesamt 780 Kilometer lange Strecke von Lauenförde bis zum Großglockner in Österreich gebraucht (das WESTFALEN-BLATT berichtete), wo »Deutz-Willi« (so nennen ihn seine Trecker Oldtimerfreunde aus Silberborn) an der Trecker-Weltmeisterschaft 2006 teilnehmen wollte.
Täglich hatte er mit seinem 18-Stundenkilometer-schnellen »Robert« zwischen 120 und 130 Kilometer zurück gelegt, bevor er sich abends einen Campingplatz zum Übernachten suchte. Geschlafen hat Langner jede Nacht in seinem eigenen »Einmann-Hotel«, denn auf einen ehemaligen Zweiachs-Anhänger hatte der frühere Baumaschinen-Monteur ein schmuckes Holzhäuschen mit Bett und Tisch und Fenstern mit Gardinen gebaut.
Etappenziele unterwegs waren Wehrda, Jossa (bei Bad Brückenau), Obernzenn, Pfaffenhofen und Einöden an der österreichischen Grenze. Endstation war der Campingplatz »Ferienparadies Woferlgut« bei Bruck.
»In Pfaffenhofen habe ich wild übernachtet. Da ich dort keinen Campingplatz gefunden hatte, fuhr ich abends kurzerhand auf das Gelände einer TÜV-Station. Ich bereitete mein Abendessen und verzog mich dann zum Schlafen in meinen Wohnanhänger. Am nächsten Morgen, als die TÜV-Beschäftigten zum Dienst erschienen, war ich schon längst wieder über alle Berge«, schmunzelte Langner.
»Großes Hallo herrschte auf dem Campingplatz bei Bruck, als ich mit meinem Trecker Robert vorfuhr«, erinnerte sich der 70-jährige Lauenförder, ich war einer der ganz wenigen, der die gesamte Strecke zum Großglockner selbst gefahren war«, meinte Winfried Langner stolz.
600 Oldtimerfreunde mit Traktoren waren aus ganz Europa angereist. Die Fahrzeuge wurden in den letzten Tagen für die Weltmeisterschaft intensiv vorbereitet. Ein zusätzlicher Ölwechsel wurde bei der Raiffeisen-Landmaschinen-Trecker-Werkstatt in Bruck gemacht, ein notwendiges Gutachten über die Bremsen eingeholt und letzte Vorbereitungen getroffen.
»Wenige Tage vor der WM sagte ich eines Morgens zu meinem Robert: Du, wir fahren heute auf den Berg, machen eine Probefahrt bis zur Edelweißspitze«, erinnerte sich der 70-Jährige. Zahlte 26 Euro für die Fahrt und durfte starten.
Dann kam der WM-Tag. »Alle waren nervös. 600 Trecker wollten die 27 Kilometer lange Strecke mit 14- bis 16-prozentiger Steigung von Fusch - 780 Meter hoch - bis zur Edelweißspitze - 2798 Meter - hinauf absolvieren. Ich hatte die Startnummer 111. Mit fliegendem Start ging es los. 600 Traktoren rollten mit enormem Motorenlärm auf der für drei Stunden gesperrten Straße dem Ziel hoch auf dem Berg entgegen. Links steile Felswand, rechts unendlich tiefe Schlucht, trotzdem immer wieder rasante und riskante Überholmanöver. Und Robert und ich mitten drin im Traktorengewühle. War das ein tolles Gefühl. Muss man einfach mal erlebt haben«, erinnerte sich »Deutz-Willi« an einen der wohl größten Momente in seinem Leben.
»Ich habe die Weltmeisterschaft nicht gewonnen, das wollte ich ja auch gar nicht. Doch ich habe dran teilgenommen und die begehrte Teilnahme-Plakette bekommen. Und darauf bin ich unendlich stolz«, freute sich Winfried Langner jetzt im Gespräch mit dem WESTFALEN-Blatt.
Und seiner Ehefrau Annemarie, die ihn nach der Rückkehr in Lauenförde stolz und liebevoll in die Arme genommen hat, versprach er: »Im nächsten Jahr fahren wir beide wieder zur Trecker-Weltmeisterschaft am Großglockner. Aber dann natürlich mit dem Auto, dann will ich dir alles zeigen.«

Artikel vom 11.10.2006