06.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Kinder stehen an erster Stelle

Serie »Menschen in der Diakonie« - Heute: ambulante Erziehungshilfe

Von Klaus-Peter Schillig
Altkreis Halle (WB). 60 Jahre Diakonie im Kirchenkreis Halle, 60 Jahre Dienst am Menschen. Das Aufgabenfeld hat sich gewandelt im Lauf der Jahrzehnte. Im Rahmen einer Serie stellt das WESTFALEN-BLATT ab heute »Menschen in der Diakonie« und ihre Tätigkeiten vor. Heute: Rainer Hartwig-Clasmeier, »ambulante Erziehungshilfe«.

Schnell einen Draht zu bekommen zu anderen, das hat Rainer Hartwig-Clasmeier vielleicht schon in seinem ersten Beruf gelernt: Da war er Starkstromelektriker. Die Probleme von Familien, Kindern und Jugendlichen anzugehen und zu lösen, war dann eigener Antrieb und steht am Ende einer langen zweiten Ausbildung mit Studium und inzwischen viel Berufserfahrung im Jugendamt, in einem Werler Kinderheim und bei der Diakonie. Seit dem 3. März 1986 arbeitet der 49-jährige Vater von drei Kindern im Kirchenkreis Halle. Nach sechs Jahren in der Ehe- und Familienberatung übernahm er die Leitung der inzwischen bei der Diakonie angesiedelten eigenen Abteilung »ambulante Erziehungshilfe«.
Das irgendetwas nicht stimmt in einer Familie, das fällt meist im Kindergarten oder in der Schule auf. Da schwänzt ein Zwölfjähriger immer wieder den Unterricht, die Eltern fallen aus allen Wolken. Oder ein 15-Jähriger fällt durch kleine Schlägereien, durch Zornesausbrüche auf. Das passiert meist in Familien, erläutert Rainer Hartwig-Clasmeier, die mit ihrer Situation nicht zurecht kommen, wo durch Scheidung, Trennung, finanzielle Notlage oder berufliche Probleme einiges aus dem Ruder läuft. Kinder oder Jugendliche fühlen sich vielleicht vernachlässigt, nicht verstanden und versuchen, auf ihre Art auf sich aufmerksam zu machen.
Um Unterstützung durch die ambulante Erziehungshilfe zu bekommen, müssen die Eltern allerdings selbst tätig werden, müssen einen Antrag beim Jugendamt stellen. Das sollte freiwillig geschehen. Druck gibt es erst, wenn die Situation zu eskalieren droht, das Kindswohl gefährdet scheint. Hartwig-Clasmeier und sein insgesamt sechsköpfiges Team weisen allerdings nicht diktatorisch den Weg aus der Krise, sondern erarbeiten ihn gemeinsam mit den Betroffenen, gehen den Ursachen auf den Grund, versuchen, gerade die Wünsche und Probleme der Kinder zu ergründen, um wieder eine gemeinsame Basis zu schaffen in der Familie. »Wenn es wieder zu einem Streit kommt, müssen sie sich selbst helfen können«, steht als Ziel über jeder Beratung. Deshalb auch spielen die Wünsche der Betroffenen eine wichtige Rolle, ihre eigenen Lebensziele. Daran zu arbeiten, so sieht es der erfahrene Sozialarbeiter, ist der wichtigste Aspekt des familieninternen Abkommens.
Insgesamt 65 Fälle bearbeitet die »ambulante Erziehungshilfe« pro Jahr, dafür stehen drei Vollzeit- und drei Teilzeitkräfte mit insgesamt 180 Wochenstunden zur Verfügung. Bei der Gründung der Abteilung war man noch großzügig davon ausgegangen, dass eine Vollzeitkraft gleichzeitig vier Familien betreuen könnte. Inzwischen sind es acht bis zehn Familien pro Nase. Pro Familie stehen in der Woche durchschnittlich 4,5 Stunden zur Verfügung - inklusive auch aller Schreibarbeiten.

Artikel vom 06.10.2006