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Das Wort zum Sonntag

 Von Pfarrer Christian Lassen


»Man kann nie wissen«, so sagen wir doch?
Natürlich sind wir alle nicht abergläubisch. Aber an einem Freitag, den 13., sieht man sich schon mal etwas vor. Man kann ja nie wissen. Dabei weiß kaum einer, warum die Zahl 13 angeblich Unglück bringt. Eigentlich ist sie nämlich eine heilige Zahl gewesen, weil die Zeit des Jahres in 13 Monde eingeteilt war. Erst als die Orientierung an der Sonne die Monde verdrängte, verband sich die 13 mit Unheil und Verhängnis.
Das alles ist längst vergangen und vergessen. Übrig geblieben ist ein volkstümlicher Aberglaube, der zwar nicht ernst genommen wird und sich trotzdem mit der Vorsicht verbindet, dass man schließlich nie wissen kann. Das ist dann wohl auch der Grund, warum zwei von drei Bundesbürgern regelmäßig das Horoskop lesen, auch wenn nach eigenem Bekunden nur jeder zweite den Einfluss der Sterne auf sein Leben für möglich hält. Immerhin ist es jedem fünften ganz ernst mit der Sterndeuterei. Sie sind fest davon überzeugt, dass man aus dem Stand der Sterne zukünftige Ereignisse ablesen kann.
Und so leben in Deutschland über 100 000 Menschen ganz offiziell von Wahrsagen, Kartenlesen und Sterndeuten. Sie leben überwiegend von Menschen, die sich nur mal so die Karten legen, aus der Hand lesen und die Sterne deuten lassen, nicht weil sie daran glauben, sondern nur, weil man ja schließlich nie wissen kann.
Von Martin Luther wird erzählt, dass er an einem finsteren Abend mit seinem Freund Melanchthon die Elbe überqueren wollte. Das Wasser des Flusses war über die Ufer getreten. Da stehen die beiden an dem reißenden Wasser und blicken hinüber nach Wittenberg. Ob das kleine Boot sicher genug ist?
Schon will Martin Luther in das schwankende Schiffchen einsteigen, als Melanchthon ihn zurückhält: »Steig nicht ein, Martin, der Lauf der Sterne ist gegen uns.« Luther aber zieht mit starker Hand den zögernden Freund mit sich und ruft: »Domini sumus!« Dieses lateinische »domini sumus« ist in seiner Übersetzung doppelsinnig. Es kann heißen »Wir sind des Herrn« oder »Wir gehören Gott« und ist damit ein Ausdruck des Gottvertrauens. Es kann aber auch übersetzt werden:
»Wir sind Herren«. In dieser Doppelsinnigkeit leuchtet die Stärke des Glaubens eines Christen auf: Weil wir dem Herrn gehören, sind wir Herren - Herren über alle Angst machenden Mächte. Es stimmt also nicht, dass man nie wissen kann; wir können sehr wohl wissen: Glaube befreit zum Leben.

Artikel vom 07.10.2006