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Werster Polizistin ist Spiele-Erfinderin

»Ganz schön mutig« soll Gewalt vorbeugen - Kooperation mit Kinderschutzbund

Bad Oeynhausen (WB/cb). Das Projekt ist einmalig: Mit dem Kommissariat Vorbeugung hat der Kinderschutzbund (KSB) Minden-Bad Oeynhausen das Spiel »Ganz schön mutig« herausgegeben. Gewaltprävention ist das zentrale Thema. Kriminalhaupt-Kommissarin Birgit Thinnes, Mitarbeiterin der Dienststelle, hat es am eigenen Schreibtisch in Werste entwickelt.


»So kann man Kindern spielerisch vermitteln, wie sie sich richtig verhalten«, beschreibt die 41-jährige Mutter ihre Motivation. Bis vor zwei Jahren war die Beamtin in den zweiten Klassen Bad Oeynhausener Grundschulen unterwegs, um die Mädchen und Jungen zu sensibilisieren. Von Eltern sei immer wieder die Frage gestellt worden, wie sie selbst etwas tun können? Als Antwort hat die Polizisten das Spiel entwickelt. »Ein halbes Jahr hat es gedauert«, erinnert sie sich.
»Dein neuer Handballtrainer ist wirklich toll. Aber manchmal macht er Dinge, die Du nicht verstehen kannst. Was machst Du? Du beobachtest, wie zwei Jugendliche einen Klassenkameraden von Dir bedrohen. Wie verhältst Du Dich?« Dies sind Situationen, in die Kinder täglich geraten können und in denen sie oft nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen.
»Es ist Aufgabe von Eltern und Erziehern, Kinder auf verschiedene Situationen im Leben vorzubereiten«, sagt dazu Thomas Bouza Behm, Vorstandsvorsitzender beim KSB Minden-Bad Oeynhausen. Doch wer ehrlich sei, »wird feststellen, viele Themen lässt man gerne aus oder schiebt diese vor sich her. Was ist aber, wenn Kinder unvorbereitet auf Situationen treffen?«, fragt er. »Gerade Kinder die schon erste Wege selbstständig gehen oder auch allein zuhause bleiben dürfen, können auf Situationen stoßen, in denen sie ratlos und ängstlich sind und nicht wissen, was zu tun ist.«
Starke selbstbewusste Kinder seien in der Lage, ihre Gefühle zu benennen und auszudrücken, ihre Grenzen zu verteidigen, Nein zu sagen, »wenn andere etwas von ihnen fordern, was sie nicht wollen.« Wissen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Geborgenheit und Anerkennung, aber auch genügend Freiraum und das Recht, sich zu wehren, machen aus Kindern nach seiner Auffassung unbequeme Opfer. »Doch diese Verhaltensweisen werden nicht jedem Kind in die Wiege gelegt.«
Und so hat Birgit Thinnes aus ihrer täglichen Arbeit mit Kindern das Spiel entwickelt, das sie auf verschiedenste Situationen vorbereiten soll. Bouza Behm: »Eltern oder Erzieher haben so die Möglichkeit, mit ihren Kindern zu sprechen und auf die Situationen einzugehen. Jedes Kind ist individuell - das eine Kind zieht es vor, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, das andere Kind schreit den vermeintlichen Täter zusammen.«
Für die Polizisten und den Kinderschutzbund stellte sich die Frage: Wie setzt man die gute Idee um? Viele Eltern und Erzieher fragten in der Vergangenheit nach dem Spiel von Birgit Thinnes. Doch es gab nur das von ihr gefertigte Original. Und so wandte sich die engagierte Polizeibeamtin an den KSB. Gemeinsam suchte man nach einem Weg, die Spielidee umzusetzen.
Als die Erben des im vergangenen Jahr verstorbenen Horst-Dieter Wehking von dieser Idee hörten, setzen sie den Wunsch des erfolgreichen und für Hilfsbedürftige engagierten Mindener Unternehmers um, und spendeten den Grundstock für die Umsetzung des Spiels. Schnell fanden sich weitere Partner, die nicht lange überlegen mussten: von der kreativen Gestaltung durch die Werbeagentur »Etage Eins« bis zur Produktion durch Lindner Kartonagen in Diepenau und ihre Partnerfirmen - alle arbeiteten Hand in Hand und verzichteten auf eine Kostenerstattung. Und liebevoll fügten viele Ehrenamtliche im Kinderschutzbund die Einzelbausteine, 72 000 Auftrags- und Situationskarten und 6 000 Spielfiguren, zusammen.
»Heraus kam das tolle Präventionsspiel, welches einzigartig in dieser Form ist«, meint Bouza Behm abschließend.

Artikel vom 05.10.2006