05.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Als die bunten Fähnchen
im Lande munter flatterten

»Deutschland. Ein Sommermärchen« macht auch im Herbst Spaß

Im Sommer 2006 gab es wieder so etwas wie ein Fußball-Wunder in Deutschland: Eine zuvor von Medien wie Fans in Grund und Boden verrissene Nationalmannschaft besann sich auf ihre alten Tugenden - und zauberte einen unbekümmerten Offensiv-Fußball auf den Rasen. Damit versetzte sie fast das ganze Volk in eine Art Karnevalstaumel. Wir alle erlebten »Deutschland. Ein Sommermärchen.«

So heißt der Film von Sönke Wortmann, der jetzt in den Kinos anläuft. In der Kabine, im Hotel oder auf dem Trainingsparcours war der deutsche Erfolgsregisseur und »Das Wunder von Bern«-Macher stets mit der Kamera dabei, um einen Film zu drehen von dem Sommer, in dem die Deutschen so richtig Spaß hatten. Nun wird auch endgültig das Geheimnis gelüftet, was denn auf dem Zettel stand, den der Köpke dem Lehmann reichte... Was will man im Kino sehen? Das, was man noch nie gesehen hat! Darauf zielt der Wortmann-Film ab - und er spielt auch mit Gefühlen: Haben wir nach dem Spiel gegen Italien nicht alle ein wenig geweint? Auch der Taumel der Gefühle, das Sich-Selbst-Feiern und das Feiern mit den Freunden kommt im »Sommermärchen« gut rüber.
Jürgen Klinsmann wurde nach miserablem Abschneiden bei der Europameisterschaft, dem Rücktritt Rudi Völlers und einer quälenden Suche schließlich der neue Bundestrainer. Er stellte den DFB auf den Kopf und zauberte aus einer Durchschnittstruppe ein Team, das die ganze Nation in einen Rausch versetzte.
Und es grenzt an ein Wunder, dass es dieser Jürgen Klinsmann einem Regisseur erlaubte, in allen »heiligen Orten« und Taburäumen zu drehen, die ein normaler Fan nie zu Gesicht bekommen wird: in der Kabine, bei der Dopingkontrolle, im Hotel und im Mannschaftsbus. Die WM, die die Welt bewegte, schrieb das Drehbuch zu diesem Film. Und aus 100 Stunden Material montierte Sönke Wortmann einen bewegenden Film, der uns Momente des höchsten Glücks und der tiefsten Niedergeschlagenheit miterleben lässt.
Wir geistern durch die Katakomben der Stadien hinauf ins Licht der Arena, sind dabei wie ein Teammitglied, vor dem Spiel, in der Halbzeitpause und nach dem Spiel. Wir jubeln bei den Feiern nach den Erfolgen mit und sind berührt von den Momenten der Konzentration im Fackellicht, sind mit der Mannschaft nach dem Training erschöpft.
Und wir weinen die Tränen mit ihnen und verstummen nach der Halbfinalniederlage gegen Italien. Szenen aus dem Innenleben des Teams. »Jetzt steht der Sönke schon wieder im Bild« war das geflügelte Wort unter Journalisten, weil Wortmann mit seiner Kamera sogar beim Training immer zwischen den Spielern zu finden war.
Wir haben die Weltmeisterschaft erlebt. Jetzt wissen wir auch, wie unsere Spieler sie erlebt haben. Der Unterschied zu einem Hollywoodfilm? Der Held ist hier die Mannschaft!
Der Erlös der Kinoauswertung ist für die Gemeinschaftsaktion der SOS-Kinderdörfer und der FIFA »6 Dörfer für 2006« bestimmt.

Artikel vom 05.10.2006