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Immer am Ball für blinde Fußballfans

Bundespräsident Horst Köhler zeichnet Nina Schweppe (35) mit dem Verdienstorden aus

Von Stefanie Hennigs
Versmold/Berlin (WB). Diesen Tag werden Nina Schweppe und Regina Hillmann wohl nie vergessen: Die Versmolderin und ihre Mitstreiterin haben gestern im Schloss Bellevue das Verdienstkreuz am Band erhalten. Bundespräsident Horst Köhler würdigte damit das vorbildliche, jahrelange Engagement der jungen Frauen für Blinde und Sehbehinderte.

»Die Auszeichnung erfüllt mich mit Stolz«, sagte Nina Schweppe nach der feierlichen Verleihung im Gespräch mit dem VERSMOLDER ANZEIGER. Dass sie diese Auszeichnung wirklich bekomme, habe sie erst an diesem Tag so richtig realisiert. Und Nina Schweppe, die von Geburt an blind ist, befindet sich mit dem »Verdienstorden 2006« in richtig guter Gesellschaft: Honoriert wurden mit dem Bundesverdienstorden gleichzeitig unter anderem bekannte Persönlichkeiten wie Wim Wenders, Peter Scholl-Latour, Bruno Ganz -Êund »Fußballkaiser« Franz Beckenbauer. Passenderweise, denn zum Fußball haben Nina Schweppe und Regina Hillmann eine ganz besondere Beziehung.
Schließlich hat ihr Einsatz dazu geführt, dass Blinde und Sehbehinderte live im Stadion das Geschehen auf dem Platz verfolgen können - nicht zuletzt bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land. Auf speziellen Plätzen im Stadion können sie bei den Spielen mit Hilfe eines Live-Kommentars über Kopfhörer mitzittern und mitjubeln. Zehn dieser Sitzplätze gab es in jedem WM-Stadion. Nina Schweppe und Regina Hillmann arbeiten daran, dass dieses Angebot in allen Fußballstadien eine Selbstverständlichkeit wird. Und das nicht erst seit der Weltmeisterschaft: Seit 15 Jahren machen sie sich gemeinsam für den von ihnen gegründeten und geleiteten Club »Sehhunde« stark. Der bundesweit tätige Verein setzt sich dafür ein, dass blinde und sehbehinderte Fußballfans die Möglichkeit haben, Fußball zu erleben -Êunter anderem auch durch Hörkassetten.
Dieses Engagement wurde gestern mit der hohen Auszeichnung gewürdigt. Die Verleihung im Schloss Bellevue war für die gebürtige Versmolderin, die in Halstenbek bei Hamburg lebt, ein besonderes Erlebnis: »Es war eine sehr schöne Zeremonie mit Musik und Reden.« Ein spezieller Moment war für die 35-Jährige auch, in der ersten Reihe die von Klavier und Trompeten begleitete Nationalhymne zu singen. Sehr positiv erlebte die 35-Jährige gemeinsam mit Mutter Bärbel Schweppe auch den anschließenden Empfang, bei dem Bundespräsident Köhler auf die einzelnen Geehrten zuging und mit ihnen das Gespräch suchte. Mit ihm unterhielten sich die beiden »Sehhunde«-Initiatorinnen darüber, wie viel Arbeit in den »Sehhunden« steckt und welch wichtigen Integrationseffekt ihr Engagement hat: Es habe blinden und sehbehinderten Menschen überhaupt erst die Teilhabe an der WM, einem bewegenden Sportereignis ermöglicht. Sie habe den Eindruck gehabt, beim Bundespräsidenten »mit unserem Thema einen gewissen Nerv getroffen zu haben - allerdings ohne bevorzugt zu werden.« Horst Köhler hat selbst eine sehbehinderte Tochter.
»Es war ein Erlebnis«, fasste Nina Schweppe ihre Eindrücke in Berlin zusammen, bevor sie die Rückfahrt nach Hamburg antrat, wo das Ereignis natürlich gestern Abend noch gefeiert wurde. »Interessant war die Vielfalt der Menschen, die ausgezeichnet wurden.« Auch mit Filmregisseur Wim Wenders plauderten die »Sehhunde«-Vertreterinnen, die sich von der Auszeichnung einen weiteren Schub für ihre Arbeit erhoffen: »Wir verbinden damit die Hoffnung, dass unsere Reputation steigt und das Thema noch mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt.« Tragen wird sie ihren Orden auf jeden Fall -Êvor allem wohl die kleinen Ansteckschleifen, die Miniaturausgaben des Ordens. »Denn er ist sichtbares Zeichen auch für andere, sich ehrenamtlich zu engagieren.«

Artikel vom 05.10.2006