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Besonders viele Quellen in Brakel

Neues Buch über die Zeit der Hexenjagd mit Fällen aus dem Kreis Höxter

Von Michael Robrecht
Brakel (WB). In die dunkle Zeit der Hexenjagd im Kreis Höxter führt der Paderborner Dr. Rainer Decker in seinem jetzt erschienenen Buch. Besonders in Brakel und Scherfede nahm die Verfolgung und Ermordung verdächtiger Frauen vor 350 Jahren groteske Züge an.

Geschichte zu erzählen, das hat schon Friedrich Schiller als ideale Form der Geschichtsschreibung überhaupt propagiert. Nicht trocken und nüchtern, sondern unterhaltsam, für jedermann mit Vergnügen und ohne Vorkenntnisse lesbar, werden unterschiedlichste Factten des Hexenthemas aufbereitet - natürlich ohne dass dabei der Anspruch auf sachliche Korrektheit aufgegeben wird. In Deckers Buch »Hexenjagd in Deutschland« wird ein alt bekanntes Thema von anderen Seiten beleuchtet, zumal neue Archivmaterialien aus den Geheimkammern des Vatikans vom Autoren mit Genehmigung von Kardinal Ratzinger, des heutigen Papstes, möglich wurden.
Rom 1657: Der aus Westfalen stammende Geheimkämmerer des Papstes erhält einen verzweifelten Hilferuf des Bischofs von Paderborn, der sich mit einer explosionsartig anschwellenden Zahl »vom Teufel Besessener« konfrontiert sieht. Was soll er tun? Soll er, wie viele seiner Untertanen fordern, eine Hexenjagd in Gang setzen? Als die Ereignisse eskalieren, genehmigt der Bischof die Hexenverfolgung.
Wie kann, wie muss man sich das vorstellen? Der Band erzählt die Geschichte der Hexenjagd in Deutschland am konkreten Beispiel von teuflischer Besessenheit und Hexenverfolgung im Hochstift Paderborn 1656-1659. Dargestellt wird der Ablauf eines typischen Prozesses; die Bedeutung von Folter und Hinrichtung; das Phänomen der Lynchjustiz, von pogromartigen Exzessen gegen vermeintliche Hexen.
Diese Binnenhandlung ist eingebettet in eine Art Rahmenhandlung, die zum einen die Ereignisse im Hochstift in den größeren Kontext der Hexenverfolgung in Deutschland stelt, zum anderen zeigt, wie die oberste Ebene der katholischen Kirche (Papst und Inquisition in Rom) auf die Hexenjagd reagieren. Welche Einstellung hat die katholische Kirche zu Magie und Hexerei? Rainer Decker zieht dabei auch den Vergleich zur evangelischen Kirche und der weltlichen Justiz, die im Verlauf der Hexenprozesse eine entscheidende Rolle spielt.
Neben Justizmorden gab es vor mehr als 350 Jahren Lynchjustiz im größeren Umfang, so in Brakel und in der Warburger Börde. Da Brakel im Stadtarchiv eine erhebliche Zahl Quellen besitzt (die höchste Anzahl in der Region) liegen hier mehr Berichte als aus anderen Städten vor.
Zum Autor: Rainer Decker,ÊDr. phil., geb. 1949, ist Fachleiter für Geschichte am Staatlichen Studienseminar in Paderborn. Seit rund 25 Jahren erforscht er die Hexenprozesse in Deutschland und Italien und hat dazu zahlreiche Publikationen veröffentlicht. Im Primus Verlag erschien 2003 »Die Päpste und die Hexen«. Als wissenschaftlicher Berater war er bei verschiedenen Fernsehdokumentationen beteiligt: Die Geheime Inquisition (drei Teile, ZDF, 2003), Themenabend Hexen (arte), Hexen (Das Erste/ARD, 2004).

Artikel vom 06.10.2006