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Meisterschülerin gibt
ein gefeiertes Debüt

Pianistin Michèle Gurdal glänzt mit Brahms-Werk

Von Wilhelm Friedemann
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Beim vierten Debüt-Konzert der Philharmonischen Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe präsentierte sich dem Publikum eine Künstlerin, die alles andere als eine Debütantin ist. Die Pianistin Michèle Gurdal absolvierte Studien, Meisterkurse und Konzerte auf internationalem Parkett und bei weltweit anerkannten Künstlern. Im Theater im Park glänzte sie am Sonntag mit Johannes BrahmsÕ 2. Klavierkonzert. Als Partner stand ihr die Nordwestdeutsche Philharmonie unter der Leitung von Daniel Klajner zur Seite.

Johannes Brahms beliebte zu scherzen, als er sein 2. Klavierkonzert mit den Worten ankündigte: »Ich habe ein kleines Klavierkonzert geschrieben mit einem ganz einem kleinen zarten Scherzo.« Von den ausufernden Dimensionen der 1881 entstandenen Komposition konnten sich 300 Zuhörer im Theater im Park überzeugen.
BrahmsÕ Trennung von Solisteneinsatz und Orchesterpart im Eingangssatz sorgt für eine besondere Exponiertheit der Solistin und erhob Michèle Gurdal schnell in den Status einer wahren Virtuosin. Akkorde in weiter Lage und die Überwindung großer Distanzen auf der Klaviatur meisterte Gurdal im wahrsten Wortsinn spielend. In der Durchführung übertrug sich der zunehmend energische Körpereinsatz der Solistin gut auf das Orchester.
In dem mit »Allegro appasionato« überschriebenen zweiten Satz wirkten Klavier und Orchester wie aus einem Guss. Zur technischen Makellosigkeit Michèle Gurdals gesellten sich hier höchste Musikalität, gepaart mit Temperament.
Die 1975 geborene Michèle Gurdal ist die Tochter eines Belgiers und einer japanischen Künstlerin. Nach Abschluss ihres Studiums am königlichen Konservatorium in Brüssel 1993 studierte sie in Hannover, Zürich und zuletzt im lippischen Detmold bei Anatol Ugorski. Der international erfolgreiche Pianist war beim Konzert seiner Studentin anwesend, da dieses den letzten Teil ihres Konzertexamens darstellte.
Beeindruckend gelangen der Solistin die konvulsivischen Steigerungen im Klavierpart des dritten Satzes. An manchen expressiven Stellen hätte man sich allerdings mehr Leidenschaft gewünscht. Im abschließenden Sonatenrondo kehrte Michèle Gurdal zurück zur rhythmisch pointierten und von Kraft und Energie durchzogenen Musik, die so trefflich mit ihrer exzellenten Technik harmoniert.
Applaus, viele Blumen und anerkennende Worte von Siegfried Lerche, dem Geschäftsführer der Philharmonischen Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe, erhielt Michèle Gurdal für ihre Konzertdarbietung. Lerche dankte außerdem dem Geschäftsführer des Staatsbades, Stefan Dörr, für die gute Zusammenarbeit - als Besonderheit wurde vor dem Konzert und während der Pause ein Imbiss gereicht. Auch auf die aktuellen politischen Entscheidungen ging Siegfried Lerche ein und kündigte an, dass der Rückzug des Kreises Herford aus dem Fördererkreis nichts an der langfristigen finanziellen Situation der NWD ändert.
Die zweite Programmhälfte bestritt die Nordwestdeutsche Philharmonie mit Franz Schuberts »Großer C-Dur-Symphonie«. Daniel Klajner trieb das Orchester mit ausdrucksvollen Gesten zu Höchstleistungen an. Sehr bewegt war das Tempo im ersten Satz, und die NWD befand sich zum Teil im obersten Bereich der forte-Skala. Klajner wählte das Tempo des zweiten Satzes so, dass seine ihm innewohnende Motorik unterstrichen wurde. Eindringlich gelangen die eruptiven Überraschungsmomente im »Andante con moto«.
Dem akzentuierten Streicher-Holzbläser-Kontrast im »Scherzo« folgte der mit einem crescendierend fanfarenartigen Motiv beginnende Schlusssatz. Dirigent Daniel Klajner wirkte als Regulativ für die dynamische Balance in Schuberts Meisterwerk, das von Bewegung und Leben durchzogen war.

Artikel vom 03.10.2006