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Ein Varieté mit
frechem Witz
und Illusionen

20. »Nacht der Komödianten«

Von Henrike Kopmann
Espelkamp (WB). »Der Wintergarten in Berlin, der Tigerpalast in Frankfurt und einmal im Jahr: Varieté in Espelkamp«, mit selbstbewusstem Augenzwinkern stellt Addi Alexis Schaefer die »Nacht der Komödianten« in eine Reihe mit den Großen. Am Wochenende begeisterte der ewig junge Klassiker sein Publikum im Bürgerhaus zum 20. Mal.
Mit seiner Darbietung ließ Till Schleinitz den Atem stocken.

Den Südländer in Ostwestfalen erwecken - Mit diesem Ziel stürmt Willi Fröhlich auf die Bühne. Damit die Stimmung stimmt, wird das Brodeln im Zuschauerraum »ganz spontan« ein zweites Mal »geübt«. Vollkommen irritiert von der Resonanz, mahnt Fröhlich: »Teilen Sie sich den Südländer ein. Es kommt noch was.« - Kein Wunder, dass die »Stimmungskanone aus dem Sauerland« skeptisch geworden ist. Bei seinem letzten Auftritt seien elf Zuschauer erschienen. Neun sind nach den ersten Minuten gegangen. Den verbleibenden zwei Senioren bot sich keine Fluchtmöglichkeit.
Doch von frustrierenden Erlebnissen lässt sich Fröhlich nicht unterkriegen: Und in seinem herrlich hilflosen Bemühen, komisch zu sein, schafft der hoffnungslose Dilettant das Unmögliche: Mit selbst »kompostierten« Werken auf der »Arschgeige«, der zum Alphorn umfunktionierten Regenrinne und dem Sauerlandcello massiert er dem Publikum das Zwerchfell. Getreu dem Motto »Den Schmerz hat der Betrachter«, überzeugt der »Meister der Skurrilitäten« als »Funkenmariechen auf Ecstasy«, einer undefinierbaren Mischung aus »Rinderwahnsinn und Dieter-Bolik«.
Zwei Körper verschmelzen zu einem mystischen Wesen. Bewegungen in faszinierendem Einklang entführen in eine Welt vollendeter Formschönheit. Der magische Sog, mit dem »Theatro Artistico« Augen und Atem fesselt, ist kaum in Worte zu fassen. Geheimnisvolle Lichtarrangements in kühlem Blau oder leidenschaftlichem Rot setzen das Schauspiel in Szene: Kraft, Körperbeherrschung und Grazie vereinigen sich, überwinden die Schwerkraft. Rita, der weibliche Part, schwebt unter der Kuppel des Bürgerhauses. Am Trapez veränderte sie nicht nur »den Blickwinkel« des Publikums, wie Moderator Addi Schaefer es formuliert, sondern eröffnete Perspektiven magischer Eleganz und Ästhetik.
Christian Dux, Drittplatzierter bei den deutschen Meisterschaften der Zauberkunst in der Sparte Großillusion, lud ein zum Träumen und Staunen. Charmant lächelnd gestand der Nachwuchs-Magier: »Ich kann gar nicht zaubern. Die Illusionen entstehen in Ihrem Kopf.« Ob nun Magie oder Einbildungskraft - wie Dux seine zwei attraktiven Assistentinnen aus dem Nichts auftauchen und wieder verschwinden lässt oder unbeschadet einen Spiegel durchquert, blieb sein Geheimnis.
Für knisternde Spannung sorgt Till Schleinitz alias TJ-Wheels. Zu pulsierender Musik schwingt sich der Rollschuh-Akrobat in einen atemberaubenden Temporausch auf, lässt Bälle und Keulen durch die elektrisierte Luft tanzen. Auf wackligen Konstruktionen aus rollenden Dosen und Brettern wagt er sich immer weiter hinauf und garniert sein riskantes Unterfangen mit einem Handstand. Rasant, spektakulär, unvergleichlich ästhetisch und erbarmungslos komisch - es ist dieser Facettenreichtum der den Zauber einer »Nacht der Komödianten« ausmacht.
Am Freitagabend überbrachte Zirkus Krönchen seine Glückwünsche an die Organisatoren, Helfer und Akteure. Als »Wom-Kosaken-Chor« trug der Zirkus sein Geburtstagsständchen vor. Genauso originell und einmalig wie das Ehrenlied, gestaltet sich das Besungene: Die »Nacht der Komödianten« überzeugt in 20. Auflage mit Abwechslungsreichtum und jugendlich-frechem Charme.
Unterstützt wurde Moderator und Gesamtleiter Addi Schaefer von André Stargardt. Ihm oblag die technische und künstlerische Leitung der von der Stadt Espelkamp veranstalteten »Nacht«. Regie führten Svenja Johannson und Svenja Mettlach. Neben den professionellen Akteuren gestalteten einheimische Akteure die Show: Die Tanzschule »Alte Post« aus Lübbecke präsentierte den Titel »Manchmal nachts fällt Gold von den Sternen« aus ihrem aktuellen Musical »Mozart goes Rock«. Bei den Vorstellungen an Samstag und Sonntag zeigten »sechs stahlharte und durchtrainierte« Schüler des Söderblom Gymnasiums eine rasante Mischung aus Break-Dance, Akrobatik und Kampfsport.
Angesichts solch »grandioser Eingebungen« und nach 20 fulminanten »Nächten der Komödianten« bleibt nur nach eines zu sagen: Danke und weiter so!

Artikel vom 02.10.2006