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Gaspreis-Streit weitet sich zum Strom-Zank aus

Preisrebellen haben im Durchschnitt schon 600 Euro zurückbehalten - Widerstand ungebrochen

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Paderborn (WV). Nach drei Gaspreiserhöhungen seit Oktober 2004 erwägen etliche Gaspreisverweigerer in und um Paderborn, ihren Versorger E.ON Westfalen Weser als Stromlieferanten den Rücken zu kehren. Das wurde am Wochenende in einer Zusammenkunft der Initiative »Gaspreise runter« im Paderborner AWO-Zentrum mit etwa 100 Teilnehmern deutlich.

Mit einem Wechsel zu einem anderen Stromversorger wollen verärgerte Gaspreisverweigerer offenbar den Druck erhöhen und ein Signal setzen, dass E.ON Westfalen Weser mit der jetzigen Gebührenpolitik sowohl beim Erdgas als auch beim Strom und Heizstrom auf immer größeren Widerstand stößt. Außerdem könnte sich der Widerstand gegen Gaspreiserhöhungen auch auf die Stromtarife ausweiten.
In der Zusammenkunft verteilte die Initiative »Gaspreise runter« um ihre Sprecher Roswitha Köllner (53) und Peter Kunze (51) denn auch bereits Muster von Widerspruchsschreiben, die sich jetzt auch gegen Strompreisanhebungen wenden. »Auch beim Strompreis gilt wie beim Gastarif der Paragraph 315, wonach Versorger die Billigkeit ihrer Energiepreise belegen müssen«, sagte Peter Kunze nach der Zusammenkunft. E.ON hatte in den vergangenen Jahren nicht nur den Gas-, sondern auch den Strompreis mehrfach erhöht. Schon beim Gaspreis hatten etwa 6000 Kunden die Zahlung des Mehrpreises verweigert oder in Widerspruchsverfahren nur unter Vorbehalt gezahlt. Droht in Paderborn nach dem Gaspreis- jetzt auch ein Strompreis-Streit zwischen dem Versorger E.ON Westfalen Weser und seinen Kunden?
Paderborner Erdgaskunden sind verstimmt, dass E.ON Westfalen Weser trotz der noch ausstehenden Gerichtsverfahren zum 1. Oktober eine erneute Gaspreisanhebung vorgenommen hat. »Die Leute sprechen weiter von Abzocke«, schüttelte Kunze am Wochenende den Kopf. E.ON Westfalen Weser hat seit gestern die Preise um 0,25 Cent pro Kilowattstunde Erdgas angehoben. Eine ursprünglich beantragte Preiserhöhung um gar 0,39 Cent wurde zurückgenommen, weil der Versorger für die Nutzung der Leitungen jetzt weniger Geld zahlen muss (wir berichteten am Samstag).
»Die Erdgaspreise sind seit Oktober 2004 für einen Durchschnittshaushalt um satte 50 Prozent gestiegen«, rechnete Peter Kunze vor. Bei einem Jahresverbrauch von etwa 30 000 Kilowattstunden Gas hätten somit Preisverweigerer seit 2004 rund 600 Euro zurückgehalten. Solche Beträge zeigten durchaus Wirkung beim Versorger, sprach Kunze von einem ungebrochenen Widerstand gegen die E.ON-Preispolitik. Eine Zahlungsverweigerung sei wirkungsvoller als lediglich ein Widerspurch.
Die Paderborner Intitiative »Gaspreise runter« stellt sich um ihren Anwalt Reinhard Weeg (Rheda-Wiedenbrück) nach der Befangenheitserklärung des Kartellgerichtes in Dortmund zunehmend darauf ein, dass das gesamte juristische Verfahren von vorn beginnen könnte. Nach der Sammelklage von E.ON Westfalen Weser gegen 15 ausgewählte Gaspreisverweigerer hatte das Landgericht in Dortmund eine mögliche Befangenheit eingeräumt, weil der Dortmunder IHK-Vorsitzende und sein Stellvertreter als Interessensvertreter der Industrie als beisitzende Richter berufen worden waren. Darüber wird am 18. Oktober verhandelt. Neue Beisitzer sind noch nicht berufen worden. Inzwischen, so Kunze, habe die Richterin auch generelle Zweifel an der Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund (Kartellgericht) geäußert. Möglicherweise werde der Rechtsstreit deshalb nicht in Dortmund, sondern vor dem Amtsgericht in Paderborn ausgetragen. »Dann beginnt wieder alles von vorne und wir fangen bei Null an«, stellt sich Peter Kunze auf ein langes Verfahren ein. Gaspreisverweigerer hätten aber einen langen Atem.
Das Magazin »Fakt« berichtet heute Abend im ARD-Fernsehen (21.45 Uhr) über den Gasmarkt und die Widerstände von Verbrauchern in Paderborn.

Artikel vom 02.10.2006