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Wovon selbst die Zwerge noch nichts wussten

150 Besucher bei Theaterpremiere in der Gesamtschule

Borgholzhausen (Felix). Dass Schneewittchen seit eh und je Probleme in ihrer Patchworkfamilie hat, ist hinlänglich bekannt. Ihre Freundschaft zur Freundin des gestiefelten Katers vielleicht schon weniger. Was sich im Märchenreich noch so alles abspielt, wovon selbst die Zwerge noch nichts wissen - davon erzählten am Donnerstagabend die PAB-Neuntklässler des Kurses »Darstellen & Gestalten«.

Der böse Wolf - ein talentierter, wenn auch sehr machohafter Rapper? Rapunzel ohne echte eigene Haare? Das bildhübsche Schneewittchen - mit Drogen schon einmal in Berührung gekommen? Und eine Großmutter, die erst bei der richtigen Musik vom CD-Player wieder fit wird? So etwas kann es doch nur im Märchen geben.
Da genau dies aber bisher in den Annalen der Gebrüder Grimm ebenso wenig zu finden war wie im Nachlass von Hans-Christian Andersen, machten sich die Mädchen und Jungen des Kurses »Darstellen & Gestalten« des Jahrgangs neun vor einem Jahr selber ans Werk. »Die Schüler wollten Elemente aus verschiedenen Märchen verwenden«, erklärten die beiden Lehrerinnen Wilma Pilz und Renate Gieskemeyer nach der gelungenen Premiere, wie die jungen Darsteller auf die ungewöhnliche Idee gekommen waren.
Und so gab es für die 150 Besucher in der Aula der Gesamschule, darunter auch Schulleiter Werner Lakeberg, ein Wiedersehen der etwas anderen Art mit all den altvertrauten Märchenfiguren der eigenen Kindheit. Denn diesmal gesellten sich - ganz wie in der »Märchenbraut« - Begegnungen der Märchenwesen untereinander hinzu.
Da flüchtete Schneewittchen mit ihren sieben Sachen eben nicht zu den sieben, sondern gleich zu neun Zwergen, die, von ihrer eigenen Mutter im Stich gelassen, hinter den neun Bergen in ihrem Ghetto lebten. Gut, dass einer von ihnen - und nicht der narzisstische Prinz - sich schließlich in Schneewittchen verliebte. Wer sonst hätte nach dem ersten Gummibärchen-Anschlag der bösen Stiefmutter denn sonst die junge Schönheit küssen und so vorm Erstickungstod retten sollen?
Das Spiegel-Ei an der Wand indes hatte es immer gewusst: Schneewittchen war auch diesmal die Schönste im ganzen Land. Und für den schlaftrunkenen und selbstverliebten Prinzen blieb zum Schluss ja noch immer Dornröschen als Alternative.
So toll die Mädchen und Jungen am Donnerstagabend auch gespielt und sich - zu Recht - über den reichlich gespendeten Applaus gefreut haben: Ein großer Wehmutstropfen blieb. Darauf wiesen die Schüler auch gleich zu Beginn der Aufführung hin. Denn die Rolle der Stiefmutter war eigentlich für eine andere Klassenkameradin gedacht gewesen: Lisa Winterberg, die kurz vor der ursprünglich geplanten Premiere bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. »Wir spielen unser Stück im liebevollen Gedenken an Lisa«, erklärte denn auch Lasse Hoffmann eingangs den Zuschauern. »Wir wissen, dass sie sich darüber freut«.

Artikel vom 02.10.2006