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Kabarettistischer Paraderitt durch die Paradoxien des Alltags: »Sauerland-Krimi«-Autorin Kathrin Heinrichs kam bei den rund 200 Besuchern in der Delbrücker Stadthalle bestens an.

Krimi-Autorin schlägt dem
Finanzamt ein Schnippchen

Kabarettistin Kathrin Heinrichs zu Gast in Delbrück

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Delbrück (WV). Wie schlägt man dem Finanzamt ein Schnippchen? Ganz einfach: zum Beispiel, indem man ein Buch auf den Kopf stellt.

Die Mendener Kabarettistin und Autorin Kathrin Heinrichs (36) spart auf diese Weise neun Prozent Mehrwertsteuer, wie sie dem amüsierten Publikum in der Delbrücker Stadthalle berichtete. Die Steuereintreiber hatten ihren üblichen Bühnen-Mix aus Kabarett und Lesung unter die Lupe genommen und eine minutengetreue Auflistung gefordert. Grund: Die Rezitation wird mit dem üblichen Satz von 16 Prozent Mehrwertsteuer belegt, für kabarettistische Vorträge sind nur sieben Prozent abzuführen. Die Autorin mehrerer »Sauerland-Krimis« zieht aus diesem urdeutschen Real-Kabarett ihre ganz eigene Konsequenz: Sie lernt ihre literarischen Texte auswendig - sagt sie jedenfalls - und dreht ihre Krimis beim Vortrag demonstrativ um.
Die Pointen treffen trotzdem punktgenau, wenn Kathrin Heinrichs in den mörderischen Geschichten ihre kleinen sauerländischen Helden wie »Ommma« (mit drei »m«) auftreten lässt und das Mittagessen bei den Eltern der neuen Freundin schildert. Dass es sich um einen Krimi handelt, wird in den kurzen Ausschnitten freilich kaum deutlich. Die »freihändig« aufgesagten Textauszüge - das Finanzamt hätte bei der Vorladung zum Testvortrag sicher viel Spaß - beschränken sich auf die köstlich-komischen Stellen.
Als Kabarettistin fehlt Kathrin Heinrichs vielleicht noch die letzte Schärfe. Die intelligent-burschikose Kleinkünstlerin mit der leicht gicksenden Stimme hat keine Probleme damit, ihr Publikum aufzuschließen. Sie paradiert textsicher durch ihre fein beobachteten Alltags-Paradoxien und knüpft immer wieder geschickt an vorab karikierte Begebenheiten an. Der »Dialog« des Zahnarztes mit seiner behandlungsbedingt sprachlosen Patientin hat sogar szenischen Witz.
Am stärksten aber wirkt Heinrichs in ihren wirklich guten, satirisch zugespitzten Kurzgeschichten. Der Kauf eines Weihnachtsbaumes, die frauenspezifische Kommentierung einer TV-Fußball-Übertragung oder der durch die gewissen »Tage« provozierte Ehestreit vor dem Kleiderschrank sind köstlich servierte Ausschnitte aus dem prallen Alltagsleben. Demnächst liest Heinrichs in Paderborn: am 17. November (20 Uhr) im Medienzentrum.

Artikel vom 30.09.2006