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Neun Jahre für
Kindstötungen

Gericht in Gera glaubt Mutter nicht

Gera (dpa). Neun Jahre Gefängnis wegen zweifachen Totschlags - zu diesem Urteil sind die Richter am Landgericht Gera gestern im Prozess gegen die 44 Jahre alte Mutter der beiden eingemauerten toten Babys aus Altenburg in Thüringen gekommen.

Sie verhängten damit noch ein halbes Jahr mehr, als der Staatsanwalt gefordert hatte. Die Verteidigerin hatte Freispruch für Sabine K. gefordert und kündigte nach dem Richterspruch Revision beim Bundesgerichtshof an.
»Sie haben die Kinder unmittelbar nach der Geburt getötet, weil Sie in Ihrer damaligen Lebenssituation keine weiteren Kinder mehr gebrauchen konnten«, sagte der Vorsitzende Richter Reinhard Maul. Die Mutter zweier erwachsener Töchter, die beim Urteilsspruch am ganzen Körper zitterte, hatte gesagt, die Kinder seien tot zur Welt gekommen. Sie wären jetzt 12 und 14 Jahre alt.
Die Babyleichen waren zu Neujahr gefunden worden. Der Ehemann der 44-Jährigen war zur Polizei gegangen, weil seine Frau sich von ihm trennen wollte. Er hatte damals die ungewollten Kinder im Kellerboden eingemauert und einen Heizkessel sowie eine Waschmaschine darüber gestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen den Mann war bereits vor Prozessbeginn eingestellt worden. Ihm könne nicht nachgewiesen werden, dass er an der Tötung der Kinder beteiligt war, begründete die Staatsanwaltschaft. Das Einmauern der Kinder selbst sei kein Straftatbestand.
Die Ehe sei bereits seit Mitte der 80er Jahre desolat gewesen, stellten die Richter fest. Ihr meist betrunkener Mann habe sie oft geschlagen, zudem habe sie sich um ihre Großmutter und ihre kranke jüngere Tochter gekümmert, hatte die 44-jährige Erzieherin gesagt. Da sie die Pille nicht vertrug und ihr Mann keine Kondome benutzen wollte, sei sie Anfang der 90er Jahre - nach den Geburten der Töchter Anne und Peggy sowie zweier Fehlgeburten und einer Abtreibung - erneut schwanger geworden.
»Bei ihr hat sich ein Abwehrmechanismus gebildet: Sie hat niemandem etwas von der Schwangerschaft gesagt und niemand hat etwas bemerkt«, sagte Maul. Nach neun Monaten kam auf der Toilette ein Mädchen zur Welt. »Spätestens in diesem Moment entschlossen Sie sich, das Kind zu töten«, betonte der Richter. Zwei Jahre später wiederholte sich das Ganze.
Die erwachsenen Töchter der Frau, die ihre Mutter während des Prozesses - ebenso wie die Erzieherinnen-Kolleginnen der Angeklagten - als liebevoll im Umgang mit Kindern beschrieben hatten, trugen zur Urteilsverkündung T- Shirts mit der Aufschrift »Sabine, wir glauben an Dich!«.

Artikel vom 29.09.2006