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»Ich fühle mich wie neu geboren!«

Andrey Grinberg aus Moskau bekommt im Herzzentrum ein neues Organ

Von Matthias Band (Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Andrey Grinberg strahlt bis über beide Ohren. Er hatte Glück. Nach sechs Wochen Wartezeit hat er im Herz- und Diabeteszentrum ein passendes Spenderherz transplantiert bekommen. »Mir geht es ausgezeichnet. Ich fühle mich wie neu geboren«, sagt der 58-jährige Russe. Bevor er jetzt in seine Heimat Moskau zurückkehrt, möchte er noch einen Monat in Bad Oeynhausen bleiben.

Nicht allen Herzpatienten ergeht es jedoch so wie Andrey Grinberg. »20 Prozent aller Wartenden sterben jährlich«, erklärt Professor Reiner Körfer, ärztlicher Direktor des Herz- und Diabeteszentrums. Da Grinberg eine schwere Herzmuskelerkrankung hatte, die Pumpfunktion war nicht mehr stark genug, erhielt er von den Ärzten die Einstufung »höchste Priorität«. Er brauchte so dringend wie möglich ein neues Herz. Weil aber eine große Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage besteht, musste Grinberg mehr als eineinhalb Monate auf sein Spenderherz warten. Die Liste ist lang. 850 Menschen warten pro Jahr auf ein Spenderherz. Nur 350 werden indes verpflanzt. Manche Patienten warten mehr als zwei Jahre auf ein neues Herz und müssen lange mit einem künstlichen Herzsystem vorlieb nehmen.
»60 Tage sind immer noch viel zu lang«, sagt Professor Körfer. »Das Problem ist, dass die Menschen Angst haben, ihre Organe zu spenden, weil sie nicht richtig aufgeklärt sind.«
Grinberg hatte sich für Bad Oeynhausen entschieden, weil die Moskauer Spezialisten ihm dazu geraten hatten. »Ich hatte die Wahl zwischen Essen, Berlin, Paris und den USA«, sagt Grinberg. Die Erfahrung gab den Ausschlag. In Bad Oeynhausen liegt der Schnitt bei etwa 80 Transplantationen im Jahr. Zum Vergleich: Im Herzzentrum in Moskau sind seit der Gründung erst 20 Transplantationen durchgeführt worden. Deshalb wollte Grinberg sich auch nicht in Russland operieren lassen, und weil die Ärzte dort wegen der unsicheren Rechtslage vorsichtig geworden sind. »Das Transplantieren ist bei uns gesetztlich nicht geregelt«, erklärt Grinberg.
»Vier Stunden hat die Transplantation mit allem drum und dran gedauert«, erläutert Professor Körfer. Für die Spezialisten sei eine Herztransplantation ein ganz normaler Eingriff. »Beim Patienten sind die Ängste groß. Das ist aber völlig unbegründet«, sagt Professor Reiner Körfer.
Anfang Dezember will Grinberg nach Moskau zurückreisen und seine Stelle in der Pressearbeit des Moskauer Arbeitsamtes wieder aufnehmen. »Nach meiner Reha möchte ich noch ein paar Wochen in Bad Oeynhausen bleiben, um die Stadt kennen zu lernen«, sagt er. Grinberg ist dankbar. »Jetzt fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Aber als mir die Ärzte in Moskau sagten, dass ich dringend ein neues Herz brauchte, dachte ich zuerst, das sei ein Witz.« Es sei eine Entscheidung gewesen, die der 58-Jährige gerne bis zum letzten Moment herausgezögert hätte. »Ich hatte große Angst vor der Operation, aber es war unumgänglich.«
Der 58-Jährige ist nicht besonders gläubig, »aber irgendwie«, sagt er mit brüchiger Stimme, »kann das alles kein Zufall gewesen sein.« Und so bekommen scheinbar belanglose Details eine Bedeutung: »Oberarzt Andreas Bairaktaris hatte mich operiert. Er heißt genauso wie ich. Jetzt ist er eine Art zweiter Vater für mich«, sagt Grinberg und lächelt.

Artikel vom 28.09.2006