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Auch Behinderte sind leistungsbereit

Besuch bei den Lübbecker Werkstätten im interkommunalen Gewerbegebiet Oberbehme

Hiddenhausen (gb). Mit Musik geht vieles leichter. Musik dürfen die Mitarbeiter der Lübbecker Werkstätten am Arbeitsplatz hören. Das motiviert sie zusätzlich.

60 Behinderte arbeiten derzeit in der neuen Außenstelle Oberbehme im interkommunalen Gewerbegebiet. Die Werkstatt, im vergangenen Jahr errichtet, weil die Außenstelle Hunnebrock aus allen Nähten platzte, ist einer der ersten Gewerbebetriebe am Ort. Bürgermeister Ulrich Rolfsmeyer und die Mitglieder des Ausschusses für interkommunale Zusammenarbeit statteten dem Betrieb gestern einen Besuch ab.
Seit dem 15. Februar arbeiten hier 60 Beschäftigte in verschiedenen Bereichen. Den Kunden werden Montieren und Konfektionieren, Elektroarbeiten, Metall-, Kunststoff-, Holzbearbeitung, Mailing und Versand sowie Landschaftspflege angeboten.
Zwei Millionen Euro investierten die Lübbecker Werkstätten am Standort, berichtet Betriebsleiter Jörg Ellerbrock. Der Neubau wurde notwendig, weil die Zweigwerkstatt Hunnebrock bei 120 Regelarbeitsplätzen mit tatsächlich 170 Beschäftigten aus allen Nähten zu platzen drohte. Oberbehme ist einer von sieben Standorten mit zusammen 660 Arbeitsplätzen.
Der neue Betrieb bietet den Beschäftigten viele Vorteile: moderne und gut ausgestattete Arbeitsplätze, zweckmäßige Sozialräume und viel Licht in freundlicher Umgebung. Zudem liegt er wohnortnah. Fast alle Behinderten wohnen bei ihren Eltern und kommen aus der Nachbarschaft: Spradow, Kirchlengern und einem Teil von Löhne. Schüler, die etwa vom Johannes-Falk-Haus zu den Werkstätten wechseln wollen, können in einem ein- bis zweijährigen Training ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten erproben. Ihnen und allen Beschäftigten stehen zehn Fachkräfte im Haus zur Seite. Unter ihnen ist Anke Bredenkötter, verantwortlich für den Sozialdienst. »Die Behinderten sollen in einem Bereich arbeiten, der ihnen entgegenkommt. Das ist unser Ziel.«
Nicht nur einfache Arbeiten sind gefordert. Auch Tätigkeiten an computergesteuerten Maschinen bewältigen Behinderte.
Neben der Arbeit kommt die Abwechslung nicht zu kurz. Nach der Arbeit können die Behinderten Sport treiben, gehen gemeinsam kegeln oder schwimmen. Der Ausgleich ist wichtig, um am Arbeitsplatz bestehen zu können.
Die Leistungsbereitschaft wird von der heimischen Industrie anerkannt. Viele namhafte Unternehmen lassen in den Werkstätten fertigen. Die Werkstätten werben ihnen gegenüber auch damit, dass diese ihre Ausgleichsabgabe für nicht mit schwer behinderten Menschen besetzte Arbeitsplätze reduzieren können, wenn sie Aufträge an die Werkstätten vergeben. Eine Modellrechnung, die ein Auftragsvolumen von 30 000 Euro zum Inhalt hat, kommt zu einer Kostenersparnis von 10 000 Euro.
Von einer guten Auftragslage profitieren natürlich auch die Behinderten. Neben einer Grundvergütung erhalten sie eine Leistungszulage. 70 Prozent des erwirtschafteten Gewinns zahlen die Werkstätten an ihre Beschäftigten aus.
Die haben Anspruch auf Grundsicherung und sind voll sozialversichert. Dabei bemisst sich der Beitrag nicht nach dem tatsächlichen Einkommen, sondern nach dem bundesweiten Durchschnittseinkommen von 1 900 Euro. Und wer mehr als 20 Jahre in einer Werkstatt arbeitete, genießt schon Rentenanspruch.
Nicht ohne Optimismus blickt man in die Zukunft. Inzwischen denkt man über die Schaffung eines Ausbildungsplatzes zur Fachkraft für Lager und Logistik nach. Behinderte können das schaffen. Sie wollen es auch.

Artikel vom 28.09.2006