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Totgesagte leben
einen Schlag länger

Super, Ingo? Der WB-Sporttest, Folge 14: Golf

Von Ingo Notz
Wagenfeld (WB). Mark Twain nannte es »einen schönen Spaziergang, der einem verdorben wird.« Driving Range, Golfclub Wagenfeld. Da stehen wir Anfänger nun - bereit für einen Spaziergang durch die große, weite Golfwelt. So verdorben wird es schon nicht sein. . .
Ein Mann sucht seinen Weg. . . Und den des Balls, den dieser nehmen soll - aber nicht wird. . .
Warum lange drumherum reden, Übung macht den Meister. Mit einem Eisen 7 in der Hand stehe ich auf der Kunstrasenmatte, vor mir die große Übungsbahn, übersäät mit den kleinen, weißen Golfbällen.
»Die linke Hand ist die, die die ganze Arbeit macht.« Ungewohnt für einen Rechtshänder, aber okay - ich bin ja flexibel. Das Wichtigste aber ist der richtige Stand, erklärt mir Reinhard Kawemeyer, Pressewart des Clubs. »Man steht leicht gebeugt - so, als ob man die Hose voll hat. . .«
So stehe ich da nun also zum ersten Mal in meinem Leben mit einem Golfschläger in meiner Hand - und verprügele mit den ersten Schlägen die Luft. Absichtlich. Zum Eingewöhnen. »Fliegen lassen!«, höre ich den nächsten Ratschlag, »locker bleiben! Ein bisschen gebeugt. Die Entfernung ist okay.« Also gut, ich wage es: Der erste richtige Schlag. Füße parallel, Augen auf den Ball, »Geschmeidig« verdrehe ich den Rücken, schwinge den Schläger durch und treffe mit einer schlafwandlerischen Sicherheit - gar nichts. »Vorbei. . .«, grinst die nette Lady neben mir - jetzt werde ich schon von Mitanfängern in dieser Schnupperstunde ausgelacht. Nach fünf Minuten. Das kann ja noch heiter werden. . . »Sie bleiben nicht stehen, das passiert aber jedem«, erklärt mir Reinhard Kawemeyer den Kardinalfehler, wegen dem ich den kompletten Schlag verhunzt habe. »Wir werden ja immer belächelt, weil wir kleine weiße Bälle schlagen, aber so leicht ist das gar nicht. Bei einem Tag der Offenen Tür hatten wir mal 300 Leute, davon hat es einer gleich auf Anhieb gekonnt. Da habe ich sofort einen Aufnahmeantrag geholt.« Abwarten, vielleicht überzeuge ich ja noch und der nächste Aufnahmeantrag muss aus dem Büro geholt werden. . . »Die Gefahr ist heute eher gering. . .«, kontert Reinhard Kawemeyer süffisant von der Seite. . . Immerhin steht mir der Präsident hilfreich zur Seite. Dieter Niemann weiß nur zu gut: »Die Körperhaltung kann man auch in zehn Stunden nicht lernen, dazu braucht man schon ein halbes Jahr.« Gut, soviel Zeit habe ich heute nicht, aber der Gag, den Kawemeyer aus dem Köcher holt, macht mir wieder Mut. »Kennen Sie den kürzesten Golf-Witz? 'Ich kann's!'«
Ich nicht. Ich probier's. Und treffe wieder nicht. So schwer hatte ich es mir als ehemaliger Mini-Golf-Fan nicht vorgestellt, dieses kleine, weiße Nichts zu treffen, das doch eigentlich groß genug ist. Eigentlich. Uneigentlich aber fordere ich mit den Fehlschlägen Kommentare heraus wie »Fußball ist sicher leichter« oder »Stopp! Das ist ein Tischtennis-Schlag. Sie gehen hoch. Sie müssen stehen bleiben!« Zum Glück versagt die Dame nebenan auch jämmerlich: »Sie haben den Ball getoppt!« Der Jubel der Lady verebbt sehr schnell, als ihr erklärt wird, dass toppen gar nicht top ist: »Das sind Schläge, die nichts taugen«, lächelt Niemann - und ich habe alle Mühe, mein schadenfrohes Grinsen zu verbergen. . . Gut, ich verziehe auch den zweiten Versuch, und den dritten, aber aller guten Dinge sind vier: Volltreffer! Der Ball fliegt und fliegt - sicher, mit dem Schlag eines geübten Golfers nicht zu vergleichen, aber immerhin: Die Kugel stoppt erst bei 75 Metern. Und ich bin immer noch berauscht von diesem Geräusch: Mann, hört sich das gut an, wenn der Schläger durch die Luft surrt und dann den Ball auch wirklich trifft! Mein Grinsen ist wohl auch Präsident Niermann nicht entgangen: »Wenn man schön trifft, hat man gleich ein Erfolgserlebnis. Wo es hingeht, ist dann egal«. »75 Meter - ist doch gut?«, freue ich mich. »Wenn Sie das so sehen. . .«, kontert Reinhard Kawemeyer, »das sah mehr aus wie ein Metzger, der mit dem Fleischklopfer zuschlägt. . .«
Hey, die ästhetischen Feinheiten kommen später. . . Hatte ich erwähnt, dass die Lady nebenan mit ihren lächerlichen 20 Metern hinter dem neuen Stern am Golfhimmel verblasst war. . .? Mit einem grundsympathischen und aufmunternden »Mach Dir nichts draus: Auf die Länge kommt es nicht an. . .«, eile ich zur nächsten Herausforderung voraus. Das Putting Green wartet. . .
»Der Unterschied ist: Jetzt müssen Sie nicht mehr ausholen, sondern schieben«. Für einen langsamen Schieber fehlt zwar die Musik, aber ich probier's trotzdem. »Putten ist das Schwierigste, da verliert man viele Schläge«, warnt mich Dieter Niemann vor. Schwierig? Quatsch, hier spiele nich meine Mini-Golf-Erfahrung aus. Fünf Minuten später beantrage ich die Streichung des Wortteils Golf - was bleibt, ist eine Mini-Erfahrung. Meine Bälle flitzen am acht Zentimeter großen Ziel wie kleine, weiße Mäuse an der Falle vorbei: links, rechts, zu kurz, zu lang - aber immer vorbei. »Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schwer das ist. Beim Putten kommt alles zusammen. Zu schnell, dann fehlt ein Bisschen - irgendwas ist immer«, lächelt Dieter Niemann. Und dieses ganz spezielle »irgendwas« grinst mich jetzt auch noch triumphierend an - unfassbar, die Dame, auf der Driving Range noch weit hinter mir, versenkt grad einen Ball nach dem nächsten. »Das kommt davon, wenn man ein Großmaul ist. . .«, schlägt sich Reinhard Kawemeyer ziemlich offensichtlich auf die Seite der Dame. Und als der Präsident meine weiteren Versuche sieht, kassiere ich die nächste Breitseite: »Gucken Sie mal! Wie ein Fleischklopfer! Mit Gewalt kann man gar nix erreichen - es kommt auf das Gefühl an!« Bevor ich etwas erwidern kann, hat die Lady neben mir die Vorlage längst genutzt - und zum verbalen K.o.-Schlag ausgeholt: »Das hast Du nicht. . .?« »Kommt immer auf die Situation an. . .«, murmele ich, tief an der Ehre gepackt. Diese verbalen Krallen wecken den Tiger in mir - der ist zwar kein begnadeter Golfer, hat aber Ehrgeiz. Immerhin treffe ich noch dreimal. Bei wie vielen Versuchen? Sorry, aber das fällt unter das gerade spontan abgelegte Schweigegelübde. . .
»Das Spiel wird nicht durch die Länge entschieden, sondern kurz vor dem Grün und beim Putten«, erklären uns die erfahrenen Golfer. Auf die Länge kommt es nicht an? Dann wollen wir mal sehen: Mit einer Sondererlaubnis dürfen wir nun auch ohne Platzreife zwei Bahnen testen.
Bahn 17, ein klassisches Par-3-Loch von 154 Metern Länge. Aber darauf kommt es ja nicht an. . .
»Sie müssen richtig die Hüfte mitnehmen«. »Hips don't lie«: Die steht wie eine Eins - und trotzdem geht die Bewegung schief. Genau wie der Ball. Ins Nichts. Ins tiefe Gras. Dritter Schlag auf dem Par-3-Loch - und weit und breit noch kein Green in Sicht. Eigentlich krieche ich gerade peinlich berührt unter einem Baum herum und suche den Ball, der mir ein wenig entglitten ist. . . Okay, den »Par-Tanz« verschieben wir auf später. . .
»Sie müssen den Ball richtig ansprechen!« Netter Tipp. Ansprechen? Ich? Wo ich doch so ein schüchterner Typ bin. . . Und mal ehrlich: Den gesprächigsten Eindruck macht der Kleine auch nicht gerade. . .
Dass der Ball hier im tiefsten Rough, das man auch Kakao nennt, liegt, hat immerhin auch sein Gutes: Endlich kann ich mal einen durch den Kakao ziehen - und keiner ist beleidigt. . . Aus dem tiefen Gras schaffe ich es, die Kugel wieder auf das normale Spielfeld zu bugsieren - keine Rücksicht auf Verluste, ein dickes Loch bleibt zurück. Der Ball ist zu »fett« geworden, sagen die Golfer dazu wohl - aber warum soll es dem Ball besser gehen als dem Golfer selbst. . .? Der kämpft grad nämlich mit dem nächsten Problem: Der Ball ist schon wieder weg. . . Minuten lang suchen wir das Ufergestrüpp des Teichs ab - eines dieser natürlichen Hindernisse, die einer erfolgreichen Golf-Premiere im Weg stehen. Von mir selbst mal ganz abgesehen. . . Immerhin: Der Ball ist nicht im Wasser - und so komme ich mit dem neunten Schlag auf's Grün. Zeit zum Putten. Vor dem elften Schlag liegt der Ball so perfekt, so nah am Loch, dass nichts mehr schief gehen kann. Der Ball liegt »tot« am Loch, wie wir Golfer so schön sagen - also so, dass der nächste Schlag garantiert der letzte sein wird. Garantiert? Garantiert nicht. . . Leider gilt auch hier: Totgesagte leben länger. .  . Und so brauche ich noch zwei Schläge auf den Hinterkopf, um den Ball - ganz legal - endgültig unter die Erd(oberfläch)e zu bringen. Jetzt schlägt's Zwölf! Hatte ich erwähnt, dass es sich um ein Par-3-Loch handelte und ich läppische neun Schläge mehr gebraucht habe? Nein? Gut. . . Von dem Strafschlag wegen akuten Versagens mal ganz zu schweigen. . .
So will ich aber nicht abtreten. Auf der nächsten Bahn läuft es etwas besser - aber natürlich brauche ich auch dort das Dreifache der normalen Schläge. . . Griechische Woche auf Nummer drei: Bei meiner Odyssee bis zum finalen Ziel auf dem Golf-Olymp wäre selbst Homer ehrfurchtsvoll erblasst - trotz Mittelmeer-Sonnenbräune. . . Bei Zeus - das war eine einzige Tragödie. Zwischen A wie Anfänger bis Z wie Zeus hatte das große Golf-ABC doch weitaus mehr Fallen eingebaut, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Eigentlich ist es aber doch so simpel: Das Runde muss ins - Runde, eckt aber immer und überall an. Verflucht sympathisch!

Artikel vom 03.10.2006