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»Pfeffermühle«: Programm
von Erika Mann begeistert

Literarisches Kabarett der 30er Jahre im Progymnasium


Rietberg (GG). Für Freunde des literarischen Kabaretts der 1930er Jahre hieß es am vergangenen Samstag im alten Progymnasium »Pfeffermühle - Vorsicht! Scharf«. Das Programm von Erika Mann wurde dargeboten von Roswitha Dasch und Ulrich Raue. Leider wurden dem Duo mit 15 Besuchern nicht so viele Gäste zuteil, wie vielleicht die Volkshochschule Reckenberg-Ems als Gastgeberin gehofft hatte.
Dennoch riefen Roswitha Dasch (Geige und Gesang) und Ulrich Raue als ein sensibler Begleiter am Klavier mit einer großen Auswahl aus Texten und Liedern die Dramatik und politische Tragweite der 30er und 40er Jahre vor Augen. Querschnitte aus den Bühnenprogrammen, bestehend aus gesungenen Gedanken Erika Manns zur Konfrontation mit den Nationalsozialisten, aber auch gesprochene Zeilenwerke, wie eine Rezitation Erich Kästners und einen Polit-Sketch, wurden mit anerkennendem Beifall und Respekt belohnt.
Und sie zeichneten den Lebensweg Erika Manns, die am 9. November 1905 als erstes Kind des bekannten Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann und dessen Frau Katia in München geboren wurde, nach. Erika Mann gründete im Januar 1933 trotz der allgemein schwierigen Lage in München ihr politisches Kabarett »Die Pfeffermühle«, in dessen Mittelpunkt die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit stand.
Von Beginn an versteht Erika Mann ihre Programme als Protest gegen den wachsenden Nationalsozialismus. Eine Zeit, in der sich Kritisches gegen Diktatoren nur noch mit der Narrenkappe vorbringen ließ, eine Strategie des Indirekten, die Erika Mann, die im Juli 1926 Gustaf Gründgens geheiratet hat, wahrlich meisterhaft verstand. Die meisten Texte schrieb Erika Mann selber. Zu den literarischen Vorbildern gehörten Christian Morgenstern, Klabunde und Joachim Ringelnatz. Trotz der Reglementierungen fällt ihr noch genügend zu Hitler ein, was von Programm zu Programm immer deutlicher wird.
Im März 1933 gehen Erika Manns Eltern, ihr Onkel Heinrich Mann, ihre fünf Geschwister und sie selber ins Exil. Erste gemeinsame Zufluchtsstätte der Familie wird Sanary-sur-Mer in Südfrankreich. Kurze Zeit später lässt sich Erika Mann mit einem Teil ihrer Familie und der großen Schauspielerin Therese Giehse in der Schweiz nieder. Von Zürich aus kann sie dann ihre deutschlandkritische Haltung mit ihrem gesamten Ensemble gefahrlos äußern.
Im September 1933 nimmt »Die Pfeffermühle« den Spielbetrieb in Zürich wieder auf und wird zum Exilkabarett gegen Hitler. Das hatte zur Folge, dass Erika Mann 1935 als »geistige Urheberin der deutschfeindlichen Pfeffermühle« die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wird.

Artikel vom 26.09.2006