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CDU-Fraktion bot im Rat ein peinliches Schauspiel

Carl Diem wurde in der Diskussion völlig verharmlost


Die öffentliche Diskussion darüber, ob eine Straße und ein Kindergarten in Elsen nach Carl Diem benannt bleiben dürfen, wurde durch die jüngste Ratssitzung intensiviert. Stadtvertreter lieferten sich hier einen emotional geführten Schlagabtausch über den Umgang mit der deutschen NS-Vergangenheit:
In der Ratssitzung wurde ein Thema behandelt, das der höchsten Sensibilität und eines hohen Einfühlungsvermögen bedurft hätte. Diesem Anspruch wurden Teile des Rates nicht ansatzweise gerecht, die sich teils grinsend und Häme zeigend, wie ein Ratsmitglied der Opposition unwidersprochen beklagte, gebärdeten. Ein peinliches Schauspiel, das dort geboten wurde. Es ging um das Thema Carl Diem.
Eine unrühmliche Rolle spielte dabei insbesondere die Mehrheitsfraktion: Ein CDU-Ratsmitglied, das vorgab, Historiker zu sein, versuchte (. . .) deutlich zu machen, dass ein Handlungsbedarf zur Zeit nicht bestehe. Er endete gleichwohl mit den Sätzen, dass Herr Diem für ihn ganz fraglos kein Vorbild sei. Die Gründe für diesen nicht unwesentlichen Nachsatz und dieses Urteil verschwieg leider jener Ratsherr, der so beflissentlich für Herrn Diem eintrat (. . .).
Ein anderer CDU-Ratsherr glaubte die Diskussion um Herrn Diem mit einem unangemessenen und peinlichen Vergleich aus der Welt zu schaffen. Er sagte mit Blick auf die bedenkliche Biografie von Herrn Diem: »Wer hat schon eine weiße Weste?« Ergo - so der Schluss - könne Diem auch geehrt bleiben. Damit wird Unvergleichbares miteinander verglichen, denn es wird ein dem faschistischen Verbrecherstaat zuarbeitendes Handeln in Tat und Wort entschuldigt mit einem mal mehr oder weniger lässlichen Fehlverhalten, das jeden Menschen auszeichnen mag und wohl auch tut (. . .).
Den i-Punkt der Entgleisungen setzte dann Ratsherr Mertens (CDU), der Andersdenkenden, die in sein Weltbild nicht passen, das Recht absprechen wollte, zum Thema Carl Diem sich überhaupt zu äußern. Als Zuhörer war man entsetzt, wie schnell manche Menschen beim Rechte-absprechen und Mund-verbieten sind (. . .)
Im Übrigen: Inwiefern kann es zukünftig noch eine Ehre sein, durch ein Straßenschild ausge-zeichnet zu werden, wenn auserwählte Personen in einer Reihe mit Personen mit zweifelhafter Biografie stehen. Inwiefern wird darüber hinaus dem Andenken an Personen wie Jenny Aloni oder Goerdeler (beide durch Straßenbenennungen geehrt) geschadet oder schlimmer noch dieses mit Füßen getreten, wenn man gerade sie gleichzeitig mit einer dem Faschismus zuarbeitenden Person in eine Reihe stellt (. . .).
Man fragt sich schon, warum die Mehrheitspartei sich so geschlossen vor eine Person stellt, die von »allen« Ratsfraktionen - also auch von der CDU - als nicht vorbildhaft eingestuft wird. Man fragt sich auch, warum eine demokratisch so bedenkliche Befragung unter den Anwohnern der Carl-Diem-Straße auf den Weg gebracht wurde, die keine Informationen zur Person Diem bot, sondern nur Kostenaufstellungen für die Anwohner. Ein Schelm, der dabei Böses denkt (. . .).
Leider hat die Stadt Paderborn nicht wie die Stadt Kempten einen Widerstandskämpfer mit Namen Karl Diem, der seit 2004 die nicht zum Vorbild gereichende Person Carl Diem im Straßenbild ersetzt. Es muss aber doch wohl auch in Paderborn eine respektable Persönlichkeit zu finden sein, die ein wirkliches Vorbild ist und die sich lohnt, geehrt zu werden.
PROF. DR. NORBERT SCHLÄBITZ Mentropstraße 79Paderborn-Elsen

Artikel vom 11.10.2006