28.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schützenkanonier Felix Hüvelmeier mit seinem Nachbau eines Festungsgeschützes aus dem 17. Jahrhundert. »Wir haben bei den Salutschüssen zum Schützenfest sämtliche Sicherheitsvorschriften eingehalten«, versichert er. Foto: Wolfram Brucks

Ärger um Kanonendonner

Staatsanwalt ermittelt gegen den Bürgerschützenverein Schloß Neuhaus

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Drei Böllerschüsse eröffnen das Schützenfest, drei Böllerschüsse verkünden: Schloß Neuhaus hat einen neuen König. Der Schützen-Tradition in historischer Umgebung droht nun allerdings ein juristisches Donnerwetter. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Wie es beim Bürgerschützenverein der Alten Residenz Brauch ist, hatte Kanonier Felix Hüvelmeier seinen Nachbau eines Festungsgeschützes aus dem 17. Jahrhundert während des sonntäglichen Schützenaufmarschs im Barockgarten des Schlosses wieder auf dem Rasen platziert und seine drei obligatorischen Salutschüsse abgefeuert. Dumpf dröhnte der Kanonendonner, und als der Rauch sich verzogen hatte, konnte Oberst Michael Pavlicic zum Appell schreiten.
Die Grünröcke feierten einmal mehr ein fröhliches Fest. Der Wermutstropfen fiel erst später in den Freudenbecher des schäumenden Gerstensaftes. Ein Besucher des Spektakels erstattete gegen den Schützenverein nämlich Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. Er habe in der Nähe des Böllergerätes gestanden, als dieses ohne Vorwarnung losgedonnert habe. Schon der erste Kanonenschlag habe sein Trommelfell derart in Mitleidenschaft gezogen, dass er heute unter einem Hörschaden leide, klagt der 43-Jährige. Mit seiner Strafanzeige fährt der geräuschempfindliche Mann auch gleich schweres Geschütz gegen das gesamte Schützenwesen auf: »Es handelt sich offensichtlich um eine völlig überflüssige Freizeitveranstaltung«, lautet sein harsches Urteil.
»Wir prüfen, ob eine strafbare Handlung vorliegt«, bestätigt Staatsanwalt Karl Oppenkamp.
Schützenoberst Pavlicic steht damit gleich in seinem ersten Amtsjahr juristischer Ärger ins Haus. Er hat den Hövelhofer Rechtsanwalt Hans-Georg Hunstig eingeschaltet, der nun die Interessen des Vereins vertritt. Dem Vernehmen nach fordert der knallgeschädigte Zeitgenosse, ein Bediensteter der Paderborner Kreisverwaltung, Schmerzensgeld und Schadenersatz.
»Ich hoffe, dass wir eine vernünftige Einigung erzielen können«, versprüht Hunstig Zuversicht.
Einer, der über das ganze Theater nur fassungslos den Kopf schütteln kann, ist Kanonier Hüvelmeier. Er ist sich überhaupt keiner Schuld bewusst. »Die Schüsse waren beim Ordnungsamt angemeldet, es wurden sämtliche Sicherheitsvorschriften eingehalten«, beteuert er. Seine mit Lafette etwa 1,30 Meter lange und 100 Kilo wiegende Kanone hat der Hobbybastler nach einer historischen Vorlage gebaut.
Um überhaupt damit hantieren zu dürfen, muss er strenge Auflagen erfüllen. Das Beschussamt des Landes Nordrhein-Westfalen habe das Instrument vor der Inbetriebnahme überprüft und abgenommen. »Alle fünf Jahre ist eine erneute Abnahme erforderlich«, zählt Hüvelmeier auf. Er selbst musste einen Böllerlehrgang absolvieren und die Prüfung ablegen. Den so genannten Schwarzpulverschein hat er ebenfalls. »Sämtliche Genehmigungen, Sachkundenachweise und Prüfbescheinigungen liegen vor«, versichert der Böllermeister in Uniform. Kein Zuschauer habe sich näher als 15 Meter am Geschütz befunden, und vor dem Betätigen der Abzugschnur habe er den Umstehenden noch ausdrücklich signalisiert: »Ohren zuhalten!«.
Sollte sich das in Schloß Neuhaus entfachte juristische Geplänkel nicht doch noch als Theaterdonner mit viel Rauch um Nichts entpuppen, könnten die traditionellen Salutschüsse im Barockgarten für den Schützenverein zum Rohrkrepierer werden.

Artikel vom 28.09.2006