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Der Kopf mit Rosenblüte ist ein Hinweis auf die Bauherrin aus lippischem Geschlecht.

Die erste Hallenkirche
entstand in Herford

Münster war früher fertig als der Dom in Paderborn


Von Hartmut Horstmann
Herford (HK). Egal, wie stolz die Paderborner auf ihren Dom auch sein mögen: Den Wettlauf mit Herford haben sie verloren. Die hiesige Münsterkirche war früher fertig gestellt als der Dom der Paderstadt. In Herford stehe die »erste großräumige Hallenkirche Westfalens«, stellt der Kunsthistoriker Dr. Ralf Dorn fest.
Am Donnerstag stellte der 38-Jährige sein neues Buch vor - eine Aufarbeitung seiner Dissertation. Es beschäftigt sich mit den Anfängen der Münsterkirche: »Die Kirche des ehemaligen Damenstifts St. Marien und Pusinna in Herford - Architektur unter den Edelherren zur Lippe.«
In puncto Hallenkirchen gebühre den Herfordern das Primat, sagte Dorn. Dass der Vergleich mit Paderborn überhaupt fiel, hat mit der Familiengeschichte der Münster-Initiatorin zu tun. Bauherrin war die Leiterin des Damenstifts St. Marien und Pusinna, Äbtissin Gertrud II. zur Lippe (1217 bis 1233). Sie entstammte der Familie der Edelherren zur Lippe, die sich insgesamt durch eine rege Bautätigkeit auszeichneten.
Dorn: »Die Architektur unter den Edelherren zeugt von einer enormen Innovationskraft.« Der architektonische Pioniergeist offenbarte sich im »Bemühen um immer weiter verfeinerte Raumlösungen«, die schließlich in der Durchsetzung des Hallenschemas mündeten.
In vielen Städten waren die Edelherren aus Lippe aktiv - unter anderem in Paderborn. Dort war es Gertruds Bruder, Bischof Bernhard IV. zur Lippe, der die Hallenkonzeption des Domes ab 1220 umsetzen ließ. Das Paderborner Modell wurde zum Vorbild: »Gertrud übernimmt das bereits unter ihrem Bruder angelegte Hallenschema.«
Der Startschuss fiel in Paderborn, doch eine Baukatastrophe brachte die Arbeiten zum Erliegen - was Folgen hat: »Und so gelingt es, in Herford die Münsterkirche als erste großräumige Hallenkirche Westfalens fertigzustellen.«
Ein Blick auf die Stammtafel der Edelherren zur Lippe genügt, um einen Eindruck davon zu bekommen, wo überall vergleichbare Kirchenbauten entstanden sein könnten. Gertrud beispielsweise schöpfte laut Autor aus den älteren Kirchengründungen ihres Vaters Bernhard II. zur Lippe: »Die Ostteile der Pfarrkirche St. Marien in Lippstadt (1185 - 1222) sowie die Nikolaikirche in Lemgo werden Vorbilder.«
Insgesamt fünf Bauetappen hat Dorn für die Münsterkirche ausgemacht - wobei sie von Osten nach Westen errichtet wurde. Der Kunsthistoriker geht davon aus, dass an der Stelle der heutigen Kirche ein Vorgängerbau stand. Äbtissin Gertrud betreute die ersten drei Bauphasen.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts sei der Hallenbau vollendet gewesen, stellt der 38-Jährige fest. Der Anbau der Westtürme habe bis ins letzte Drittel des 13. Jahrhunderts gedauert. Baugeschichtlich ordnet Dorn die Münsterkirche innerhalb der westfälischen Architektur »am Übergang von spätromanischen zu frühgotischen Bauformen« ein.
338 Abbildungen laden zum Blättern in dem Buch ein, welches sich - trotz aller Wissenschaftlichkeit - durch eine große Lesbarkeit auszeichnet. Wer sich mit der westfälischen Kirchengeschichte befasst, wird an der gut aufgemachten Hardcover-Publikation (39,95 Euro) nicht vorbeikommen.

Artikel vom 23.09.2006