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Haller hilft den
Gewaltopfern

»Weißer Ring« setzt Rechte durch

Altkreis Halle (pes). Die Täter landen hinter Gittern, die Justiz hat ihre Schuldigkeit getan. Zurück bleiben die Opfer von Verbrechen und Gewalttaten - mit körperlichem oder seelischem Leid. Denen hilft seit Ende der 80er Jahre auch im Kreis Gütersloh der »Weiße Ring«, der am 24. September genau 30 Jahre besteht.

Seit Ende 1991 kümmert sich Rainer Middelstaedt aus Halle um Kriminalitätsopfer zwischen Werther und Rietberg. 34 waren es im vergangenen Jahr. Bei der Betreuung stehen dem Haller fünf Opferhelferinnen und -helfer zur Seite, die in ihrer Freizeit viele Stunden für Gespräche und Beratungen aufbringen. Etwa zwei Drittel der Betroffenen wenden sich aus eigenem Antrieb an den Weißen Ring, das übrige Drittel wird von der Polizei und deren Opferschutzbeauftragten vermittelt.
»Meist sind es Opfer von Sexualverbrechen oder Kindesmissbrauch, die bei uns Hilfe suchen«, berichtet Rainer Middelstaedt, »häufig kämen aber auch junge Frauen, die erst viele Jahre nach einem Übergriff mit dem Erlebten nicht mehr fertig würden. Auch solchen Menschen können die ehrenamtlichen Helfer im Kreis beistehen - nicht nur mit Trost und Beratung, sondern auch mit konkreten Hinweisen auf den Weg durch den Behördendschungel. Für viele Opfer, weiß Rainer Middelstaedt, sei so auch viele Jahre nach einem Verbrechen noch eine Entschädigung des Staates über das Versorgungsamt erstritten worden - Möglichkeiten, die oft sogar Rechtsanwälte gar nicht kennen würden.
Nur, wenn ein Verbrechensopfer durch eine Straftat selbst in eine akute finanzielle Notlage gekommen ist, hilft der »Weiße Ring« auch direkt mit Geld. Im Kreis Gütersloh (180 Mitglieder) sind so seit Ende der 80er Jahre insgesamt 170 000 Euro geflossen. Bundesweit hat der »Weiße Ring« (60 000 Mitglieder) seit seinem Bestehen schon 130 Millionen Euro bereitgestellt, hat 420 Anlaufstellen mit 2800 ehrenamtlichen Helfern aufgebaut und ist auch auf politischer Ebene aktiv
Noch immer seien im Ermittlungs- und Strafverfahren die Persönlichkeitsrechte des Opfers weniger geschützt als die des Angeklagten. Der vom »Weissen Ring« seit langem geforderte Opferanwalt auf Staatskosten, für alle schwer betroffenen Opfer, sei ebenso überfällig, wie der leichtere Zugang zu Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Politik, Justiz und Verwaltung müssen endlich begreifen, dass Opferschutz und Opferhilfe keine Almosen sind, sondern eine Bringschuld des Gemeinwesens, das nicht länger hinter der Wahrung von Täterinteressen zurückstehen darf, so ein Sprecher des »Weissen Rings«.

Artikel vom 23.09.2006