19.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Unvergessliche Eindrücke

Realschule Fürstenberg zu Besuch in der Gedenkstätte Theresienstadt

Fürstenberg (WV). »Erinnern kann nicht ungeschehen machen, aber die Wiederholungswahrscheinlichkeit verringern.« Mit diesen Worten Friedrich Schorlemers begrüßte die Überlebende des Ghettos Theresienstadt, Michaela Vidlakova, die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a der Realschule Fürstenberg. Das Zeitzeugengespräch bildete den Abschluss ihres Aufenthaltes in der Gedenkstätte Theresienstadt.

Vier Tage lang hatten die 14 Mädchen und 18 Jungen aus dem Stadtgebiet Bad Wünnenberg Gelegenheit, sich intensiv mit der Geschichte des Lagers Theresienstadt und dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.
Angeboten wurde das Seminar zur politischen Bildung vom Jugendamt des Kreises Paderborn. Nach einer Hauptschul- und einer Berufskollegklasse, die in den beiden Vorjahren die Gedenkstätte besucht haben, erhielt nun auf Initiative von Geschichtslehrerin Irmhild Jakobi-Reike die Klasse 10a der Realschule Fürstenberg die Gelegenheit zu diesem für sie wohl einmaligen Erlebnis.
Die 32 Jugendlichen wohnten und arbeiteten zusammen mit Ina Jäger vom Kreisjugendamt Paderborn, die die Fahrt auch organisierte und leitete, sowie den Lehrerinnen Irmhild Jakobi-Reike und Christel Nacke-Hüwel in der Begegnungsstätte der pädagogischen Abteilung der Gedenkstätte Theresienstadt, die in Gebäuden des ehemaligen Ghettos untergebracht ist. Sie bauten dabei auf Vorkenntnissen auf, die sie im Unterricht und durch zwei von Frau Jäger geleitete Bausteine zu dem Thema »Judenverfolgung« und »Rechtsradikalismus heute« erworben hatten. In unterschiedlichen Workshops und zum Teil selbst erarbeiteten Führungen setzten sich die Jugendlichen intensiv mit der Historie des Ortes und dem Holocaust auseinander.
Die alte Festungsstadt Theresienstadt aus dem Jahre 1780 erlangte traurige Berühmtheit als Außenstelle des Prager Gestapogefängnisses und als jüdisches Ghetto in den Jahren 1941 bis 1945. Ursprünglich als Durchgangslager für böhmische und mährische Juden auf dem Weg in die Vernichtungslager des Ostens gedacht, wurde der Ort nach der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 als Ghetto für so genannte »verdiente« deutsche Juden sowie als »Altersghetto« und deshalb auch für Propagandazwecke der NS-Regierung genutzt. Nach langer Vorbereitungszeit gestattete man dem Internationalen Roten Kreuz 1944 einen Besuch, das mit erheblichem Aufwand auch getäuscht werden konnte.
Heute leben in Terézin wieder rund 1900 Einwohner. Die Tatsache, in Originalgebäuden der Ghettozeit zu wohnen und sich in mehrtägiger intensiver Arbeit mit unterschiedlichen Themen und Orten jener Zeit zu beschäftigen, hinterließen bei allen Mitreisenden bleibende Eindrücke. Diese wurden noch einmal vertieft durch die Begegnung mit der Zeitzeugin Michaela Vidlakova im jüdischen Zentrum von Prag. Die persönliche Begegnung mit der 1936 geborenen Frau, die von ihren Kindheitserinnerungen im Ghetto Theresienstadt von Dezember 1942 bis zu Befreiung des Lagers 1945 berichtete, gehörte zu den beeindruckendsten Momenten der Fahrt.

Artikel vom 19.10.2006