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»Ick fühl' mich sauwohl«

Schwergewicht Axel Schulz trainiert im Gerry-Weber-Stadion

Von Oliver Kreth
Halle (WB). Er war so verdammt nervös, wie er nach 45 Minuten Box-Präsentation einräumte. Das Klettern durch die Ringseile gelang ihm im ersten Versuch nicht. Als Axel Schulz dann aber im Ring war, überzeugte er alle Anwesenden. Verbal und boxend.

Ein leichtes gymnastisches Aufwärmprogramm, zwei intensive Runden Schattenboxen (bei jedem Schlag presste er die Luft laut aus seinen Lungen) und zwei Runden am Boxsack bot der einst als »weicher Riese« Verspottete den 100 Journalisten am Ring an. Sein neuer Trainer Rick Conti beobachtete, kommentierte und korrigierte. Der US-Amerikaner, die Jogging-Hose fast bis zum Kinn hochgezogen, hatte mit Schulz im Camp in Cape Coral und Sarasota (US-Bundesstaat Florida) verstärkt an der Beinarbeit und der Balance gearbeitet und versprach: »Axel ist in einem Jahr Weltmeister. Seiner Schnelligkeit, seinem Druck können nur wenige Schwergewichtler dieser Welt standhalten. Axel lebt, atmet, isst und trinkt Boxen. Das muss man als Champion auch.«
Bei seiner Einlage am mit Wasser gefüllten Boxsack demonstrierte Schulz, der bislang drei Mal im Kampf um die Schwergewichts-WM-Krone an George Foreman, dem gedopten Francois Botha und Michael Moorer gescheitert war, eine neue Aggressivität. Conti will aus dem Techniker einen K.o.-Schläger gemacht haben. »Er steht fester, schlägt seine Rechte jetzt als Konter hart über die Linke seines Gegners«, sagte der Coach, der laut Schulz »Lehrer und nicht Trainer genannt werden will. Trainer gibt es nur bei Pferden«.
Auch Axel sieht Fortschritte. »Früher habe ich ja nicht so plattfüßig gestanden, ständig waren meine Hacken oben. Sonst hätte ich ja mehr Kämpfe frühzeitig gewonnen.« Er sieht aber noch Verbesserungsbedarf bis zum Kampf am 25. November im Gerry-Weber-Stadion, in der »Nacht der Antworten«. Die Zeit sei zwar knapp, aber »dieser Druck verhindert auch, dass ich in meinen Bemühungen nachlasse, nie in die Versuchung gerate zu sagen: Ich mach' mal Pause.«
Das Pressetraining war übrigens ein Wunsch des großen, kurzgeschorenen Blonden. »Mein Matchmaker und mein Manager haben gesagt: Mach' das nicht. Aber ich wollte die Atmosphäre im Stadion schnuppern, wollte mich stellen. Und ich muss zugeben: Ich war schon verdammt nervös.«
Drei Trainingseinheiten absolvieren Boxer und Lehrer täglich. Ein echte Schinderei bei teilweise bis zu 60 Grad im Gym. Aber »Schulle« schreckt das nicht. Im Gegenteil. Er ist »geil auf Boxen. Ick fühl' mich sauwohl.«
Auch die Umstellung von Manfred Wolke auf Conti ist gelungen. Doch sein Ex-Trainer hatte eine wichtige Bedeutung beim Comeback. »Nachdem ich bekannt gegeben hatte, dass ich wieder boxen will, haben Manfred und Ulli Wegner gesagt: Den kriegen wir hin. Das hat mich in meiner Entscheidung bestärkt. Ich habe dann lange mit Manfred telefoniert. Ein gutes Gespräch.« Coachen durfte Wolke ihn aber nicht - sein Chef Wilfried Sauerland hat es ihm verboten.
Darüber denkt er nicht mehr nach. Eine Hintertür gibt es nicht mehr. Da muss er jetzt durch. Mit aller dazugehörenden Nervosität.

Artikel vom 20.09.2006