19.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Berlin spürt die
Titel-Sehnsucht

Die Fans feiern ihre Hertha

Berlin (dpa). Das »großartige Gefühl«, das auch Falko Götz nach dem überraschenden Gipfelsturm übermannte, hat in Berlin lange schlummernde Titel-Sehnsüchte geweckt.
Die Protagonisten von Hertha BSC, Tabellenführer der Fußball-Bundesliga, durften nach dem 2:0 gegen den FC Schalke 04 schon einmal auf Probe genießen, wie sich ein Titel-Gewinn nach 76 Jahren Pause anfühlen könnte. Noch 20 Minuten nach Spielende wurden die Profis gefeiert, als ob sie die Schale schon in den Händen hielten.
Die einzigen Meisterschaften der »alten Dame« datieren bereits aus den Jahren 1930 und 1931. »Das ist eine wunderschöne Momentaufnahme, aber es sind erst vier Spieltage vorbei. Wir sollten jetzt nicht durchdrehen«, warnte Manager Dieter Hoeneß vor der Gefahr der Selbstgefälligkeit und übersteigerten Erwartungen.
Freiwillig aufgeben aber wollen die Herthaner den Platz an der Sonne natürlich nicht, auch wenn die schweren Verletzungen von Brasiliens WM-Spieler Gilberto (Syndesmoseband) und des türkischen Nationalspielers Yildiray Bastürk (Meniskus) die Verteidigung noch schwieriger machen. »Ich traue der Mannschaft zu, dass sie das kurzfristig ausgleichen kann. Langfristig ist es schwierig, beide Spieler sind Leistungsträger«, meinte Hoeneß. Bastürk fällt drei, Gilberto neun Wochen aus.
»Der erste Platz gibt Mut und Selbstvertrauen, das schweißt zusammen«, bemerkte Hoeneß in dem Wissen, dass die Tabellen-Höhenluft in der Hauptstadt etwas sehr Seltenes ist. Erst das neunte Mal seit dem Bundesliga-Start steht Hertha ganz oben, zuletzt vor fast sechs Jahren. »Das ist sensationell«, jubelte Neuzugang Christian Gimenez (31), der maßgeblich für das neue Wir-Gefühl auch innerhalb der Mannschaft verantwortlich zeichnet. Doppelpack gegen Schalke, vier Treffer in drei Spielen - »Christian weiß, wo das Tor steht«, sagt Hoeneß über die Leihgabe aus Marseille.
Gimenez steht mit für die Berliner Philosophie. Mit einer Mischung aus eigenen Talenten wie Malik Fathi, Kevin Boateng oder Patrick Ebert und ein paar internationalen Schnäppchen kämpft Hertha gegen finanziell weit risikofreudigere Clubs wie Schalke oder Hamburg an. Die Personalkosten hat der Verein, den rund 49 Millionen Euro Schulden drücken, auf 25 Millionen Euro gesenkt - fast 15 Millionen weniger, als die Schalker für ihr kickendes Personal ausgeben.

Artikel vom 19.09.2006